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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Donnerstag, 13. November 2014

Heute Abend in Ludwigshafen: AFRO-DITES, von der ersten Frauentanzgruppe Senegals

© Frans Brood
Afro-Dites
T H E A T E R S A A L, PFALZBAU
Do 13.11.2014, 19.30 Uhr
[SG A, TG 3, TG 5, WA]














Choreographie: Germaine Acogny
und Patrick Acogny
Mit: Ndeye Touty Daffé, Fatou Diallo,
Codou Gueye, Ndeye Thiony Seck,
Rokhaya Thioune, Maguette Ndione,
Mariama Ndione, Fatou Samb,
Ramatoulaye Sarr
Jant-Bi


Senegal aus weiblicher Sicht – niemand weiß mehr darüber, als jene, die dort leben. In AFRO-DITES geben die neun Ensemblemitglieder der ersten Frauentanzkompanie des Landes ihre Blicke auf Gewohnheiten, Sitten, Paradoxa und Widersprüche senegalesischen Miteinanders in einer umwerfend impulsiven Choreografie an das Publikum weiter. So fröhlich ironisch wie beißend sarkastisch setzt ihr Tanz Fragmente ihres Erlebens in Szene. Es geht um Polygamie und Liebe, Kinder, Migration und Hautbleichungsmethoden, um Männer, Verführung aber auch Haushalts-Sklaverei, Prostitution und Vergewaltigung. Getragen von außerordentlichem Optimismus und subversivem Sinn für Humor verwandeln die Tänzerinnen ihre Zerbrechlichkeit in Stärke und performen ein Exempel selbstbewusster, liebevoller Daseinsfreude.

Germaine Acogny, der berühmten Ikone zeitgenössischer wie traditioneller afrikanischer Tanzkunst und Leiterin des interkontinental vernetzten Tanzzentrums École des Sables in Toubab Dialaw bei Dakar gelingt gemeinsam mit ihrem Sohn Patrick Acogny eine choreografische Vermählung von Poesie, Ernst und Komik. Ein Tanzstück, das in seiner Aussage Frauen jeglicher Nationalitäten zu kreativer Selbstermächtigung und aktiver Lebensgestaltung ermutigt.








Mittwoch, 10. Juli 2013

Wie war die Antigone im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen?




Am 3. und 4. Juli 2013 wurde Antigone im Theater im Pfalzbau Ludwigshafen am Rhein gezeigt, eine Inszenierung aus Kaiserslautern, die viel besucht war. Sophokles' alter Stoff neu aufbereitet, jedoch die Dramatik war dennoch eher schwach. Es liegt auch an der Sprache, die einen zu sehr einlullt, kaum Zäsuren setzt und alles Geschehen um Kreon (Peter Kaghanovitch), der Antigone (Shadi Hedayati) bestrafte, weil sie trotz Verbot ihren Bruder Polyneikes bestattete - zumindest zweimal mit einer dünnen Schicht Erde bedeckte, um ihm Ruhe zu schenken, bis sie erwischt wurde - mehr erzählt, als dass es gespielt wird. 
Die Spannung kommt nicht so richtig auf, es bleibt leer, trotzt der radikal neuen Szenerie, Militaryfans oder Hartz IV-Bezieher bzw. Freaks (der Seher Theiresias) im Army-Look auf einem Schrottplatz: Das ist Theben heute, zumindest für Regisseur Hansgünther Heyme. Antigones Schwester Ismene wird von einer kleinwüchsigen Behinderten dargestellt. Ob das ein Hinweis auf die Rache der Gene im Zeichen der Inzucht sein soll?

Der kommentierende Chor bei Sophokles wird bei Heyme durch sechs flimmernde Fernsehapparate, die willkürlich Chormitglieder zeigen, und eine Big-Brother-Stimme aus dem Off ersetzt. Oft herrscht ein Sendeproblem, es rauscht und krächzt im Äther. Gegen Ende der Todeswelle lösen sich die Botschaften auf, sie haben keinen Inhalt und Sinn mehr. 


Der klassische Stoff der Aufreibung einer ganzen Familie ist natürlich gewaltig, ohne Zweifel. Antigone, die Tochter des Ödipus und dessen Mutter, zeigt großen Mut, wie der Vater schon, der seine eigene Mutter schwängert, wie der Bruder Polyneikes, der eine Recht auf Kreons Thron hat, aber im Kampf fällt, so wie Kreons Neffe Eteokles. Eine Frau begehrt auf und macht etwas, was man einem Toten nicht verwehren sollte, ihn nicht den Raben, Hunden, Adlern zum Fraß zu überlassen. In Tibet hätte man sie verhaftet, weil sie das verhindern wollte, was vorgesehen ist. In Theben, weil es von Kreon zur Strafe angeordnet war. Aber sie stellt sich, wird inhaftiert und erhängt sich in der Grabeskammer. "Nichts Ungeheueres als der Mensch. Unerfahren geht er dem Nichts entgegen."  Ihre Schwester Ismene, die sich solidarisierte, weist sie von sich, um sie nicht mit hineinzuziehen. Ihr Verlobter Haimon, der Sohn des Kreon, kommt zu spät, sie zu retten, greift den Vater an, scheitert und begeht auch Selbstmord. Ihm folgt noch seine Mutter Eurydike, nicht ohne den Vater verflucht zu haben. 
Theiresias hatte Recht, alles vorausgesehen, aber Kreon bereut und erkennt erst am Ende, dass er eine Kette von Fehlern begangen hat. Ismene verhöhnt den niedergeschlagenen, verzweifelten Kreon, der sich auch den Tod wünscht: "Das weitaus größte Glück ist Besonnenheit".

Mittwoch, 3. Juli 2013

Heute Abend im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen: ANTIGONE (Produktion aus Kaiserslautern)


Mi, 3.7.2013    I    9.30 Uhr   I    Theater im Pfalzbau, THEATERSAAL 




Antigone

Schauspiel von Sophokles
Deutsch von Wolfgang Schadewaldt

Inszenierung und Ausstattung: 
Hansgünther Heyme
Mit: Shadi Hedayati, Jana Zöll, 
Peter Kaghanovitch, Wolfgang Robert, 
Mathias Wendel, Stephan Wriecz
Koproduktion Theater Im Pfalzbau Und 
Pfalztheater Kaiserslautern
Einheitspreis: 18 € / Erm. 10 €

Am Hof in Theben herrscht Krieg, beide Brüder Antigones sind im Kampf gefallen und ihr Onkel Kreon hat die Macht übernommen. Es regiert gegenseitiges Misstrauen, das Militärische dominiert und Kreon trifft die Anordnung, dass Polyneikes, Antigones Bruder, nicht begraben werden darf: Seine Seele soll nicht zur Ruhe kommen, als Strafe für seinen Verrat am eigenen Volk.
Doch Antigone begehrt energisch gegen diesen Befehl auf: Vor irdisches Recht stellt sie den Willen der Götter, Menschlichkeit zählt für sie mehr als verbissene Rechthaberei und Machtdemonstration. Hansgünther Heyme hat seine radikal moderne Aufführung des klassischen Stückes in einem Überwachungsstaat nach dem Vorbild von George Orwell angesiedelt: Überall lauert der Staat, jeder Fleck wird abgehört, es gibt keinen Rückzug ins Private mehr. Mutig und voller Leidenschaft drückt die junge und schöne Antigone ihren Protest gegen Kreon aus. Doch dieser erkennt seine eigene Selbstüberschätzung erst, als es bereits zu spät ist und seine ganze Familie im Strudel der Ereignisse untergeht.

»Die Vorstellung wird nach dem großen Erfolg im Programm der VI. UND VII. FESTSPIELE LUDWIGSHAFEN wieder aufgenommen. Nach ausverkauften Vorstellungen kam es stets zu langen, spontanen Diskussionen und Gesprächen. Unzählige Schulklassen haben die Aufführung gesehen. Im Frühjahr 2011 kam eine TV-Fassung der Aufführung im Offenen Kanal Ludwigshafen heraus. Wir haben die Antigone des Sophokles 2010 quasi als Handlungsnachfolge des König Ödipus von Sophokles erarbeitet – zugleich als Beiprogramm zu Richard Wagners Der Ring des Nibelungen. Wagner leitet Wesentliches der Brünnhilde von Antigone – und viele Motive seiner Wotan-Figur – von Kreon in der Antigone ab.« Hansgünther Heyme

Donnerstag, 27. Juni 2013

Heute Abend in Ludwigshafen: WOZZECK. Oper von Alban Berg


Do, 27.6.2013    I    19.30 Uhr    I    Theater im Pfalzbau, THEATERSAAL


Wozzeck

Oper von Alban Berg
Text vom Komponisten
nach Georg Büchners Dramenfragment Woyzeck

Musikalische Leitung: Uwe Sandner
Inszenierung: Urs Häberli
Bühne: Thomas Dörfler
Kostüme: Gérard Ziegler
Chor: Ulrich Nolte
Pfalztheater Kaiserslautern
Preise: 44 Euro 37 Euro 30 Euro 23 Euro


Der einfache Soldat Wozzeck hat mit Marie ein uneheliches Kind. Obwohl er alles tut, um Frau und Kind zu versorgen, wird Wozzeck wegen seiner angeblichen Unmoral angefeindet. Um seinen Sold aufzubessern, rasiert er seinen Hauptmann und stellt sich dem Doktor für zweifelhafte medizinische Experimente zur Verfügung. Von den Umständen wird Wozzeck in immer stärkere Wahnvorstellungen getrieben. Marie fürchtet sich zunehmend vor ihm und flüchtet sich in die Arme des attraktiven Tambourmajors. Als Wozzeck die beiden miteinander tanzen sieht, besiegelt sich Maries Schicksal, aber auch sein Untergang ist vorgezeichnet.
Alban Berg, der Georg Büchners Dramenfragment selbst für seine Vertonung einrichtete und dramaturgisch verdichtete, führt mit Wozzeck in eine Welt, in der Armut das Handeln bestimmt und Moral nur einen Abwehrreflex der »besseren Leute« darstellt. Ohne jeden Zweifel ist Wozzeck – 1925 in Berlin uraufgeführt – ein Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts, das in seinem Appell an die Menschlichkeit eine zeitlose Eindringlichkeit besitzt. Der Komponist erhob in seiner dreiaktigen Oper die Formen der absoluten Instrumentalmusik zum Gestaltungsprinzip und überschritt die Grenzen der tradierten Tonalität, jedoch ohne dass das klangliche Ergebnis kühl konstruiert erschiene. Im Gegenteil, Berg ist bei seiner ersten Opernkomposition ein packendes Musikdrama (durchaus auch im Wagner’schen Sinne) gelungen.
Alban Berg
Mit Alban Bergs Wozzeck – vielfach als erste wirklich moderne Oper der Musikgeschichte angesehen – startet das Pfalztheater eine neue Reihe mit zentralen Werken des 20. und 21. Jahrhunderts.

















Donnerstag, 20. Juni 2013

Wie war's beim DIAVOLO Dance Theater Los Angeles im Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen a.Rh.?

Foto: Diavolo Dance Theater

Die Diavolo Dance Company aus Los Angeles offeriert die interessantesten Bühnendarbietungen, die ich im Bereich Tanztheater bislang gesehen habe. Die Zeiten des langweiligen Balletts sind definitiv vorbei, heute werden Videos und formauflösende Elemente eingesetzt, die Musik ist selten lieblich, eher immer zeitgenössisch "härter, anspruchsvoller". Und auch die dargestellten Handlungen werden verändert, nicht nur Andeutungen von Böse, Leid etc., nein, die alltäglichen Auseinandersetzungen werden, gerade bei Diavolo, direkt hereingeholt, sind dominant, Gewalt virulent. 

Die Diavolo Dance Company ist eine international renommierte moderne akrobatische Tanzgruppe. Tänzer, Turner, Schauspieler, Sportler und vor allem Teamkollegen schaffen ein einzigartiges Stück Tanzkultur unter der Leitung von Intendant Jacques Heim, der das Diavolo Dance Theater im Jahr 1992 gegründet hat - mit Sitz in Los Angeles. Sein Theater bietet wunderschöne, innovative Bewegung auf übergroßen surrealistischen Bewegungsrequisiten und gleichzeitig alltägliche Strukturen. Die Diavolo-Tänzer zeigen und stellen dar die Herausforderungen der Beziehungen, die Absurditäten des Lebens und die Kämpfe um Menschlichkeit oder um unser Überleben. Das Diavolo-Theater tourt in Europa, Asien und Lateinamerika und hat auch einzigartige Performance-Events für Firmenkunden wie Wells Fargo, Honda, Sebastian Inc. und General Motors erstellt.


Foto: Diavolo Dance Theater

Das Ensemble bot am 15. und 16.06.2013 im Theater im Pfalzbau eine außergewöhnliche Show aus fünf Stücken, die bestens bei den Besuchern ankam. Begeisterungsstürme ob der Akrobatik und Leistungsfähigkeit, Tanzniveau und Risikobereitschaft, Modernität und Innovationskraft. Die Choreographie stammt vom Intendanten und Theatergründer. Es sah vieles sehr unfallträchtig aus, man dachte an gequetschte Füße, Hände oder Stürze, aber alles lief schnell, punktgenau und reibungslos ab. Eine sehr ungewöhnliche, packend-hektische, sehr modern wirkende tänzerische, sportlerische und akrobatische Darbietung, die die kinästhetischen Gesetze von Bewegungsabläufen und Aufmerksamkeit koppelt.

In D2R-A (1995) versuchen verfolgte Menschen, fast wie eine Street-Gang, Bewohner eines Ghettos, zu Orff-Rhythmen eine Wand mit herausragenden Metallstäben zu erklimmen, werden zunächst von Unbekannten aus dem Hinterhalt abgeschossen. Dann turnen, kriechen sie und schlängeln sich mit ungeheurer Geschwindigkeit durch das Stangenlabyrinth, geben nicht auf, helfen sich gegenseitig rauf und runter, indem sie Menschenbrücken bilden, und haben es schließlich gepackt, das Hindernis überwunden. Polizeisirenen setzen ein.

In Knockturne (2006) ein Kontrastprogramm mit einer Mischung aus to knock = anklopfen und Nocturne = auf die Nocturnes des Barock und von z.B. Chopin oder Liszt zurückgehend. Zur Musik von Puccinis Madame Butterfly wird eine 6-Minuten-Annäherung zwischen einem Liebespaar dargestellt. Der Mann bringt seine Geliebte im Koffer mit nach Hause oder in ein Hotel. Das Küken entschlüpft, und schon beginnt der feingliedrige und sensible Balztanz der beiden hin zum finalen Kuss. Wichtig ist die Tür, an, in, auf und mit der sich das Paarungsritual abspielt. Mehrmaliges Eintreten wechselt mit Verlassen der Tür, des Raums, des tanzenden Umspielens der Rahmenteile, das Annähern und Poussieren mit dem Partner.

Ein absolut witziges Stück namens Bench (2000) zeigt den Kampf um eine Sitzbank. Klingen zu Beginn noch die rassistischen Grundzüge der amerikanischen Gesellschaft von der Sklaverei bis in die 1960er-Jahre und später an, verliert sich das Gerangel von Weiß und Farbig in einem Rundum-Gemenge von allen Beteiligten. Wie in einem Slapstick von Charlie Chaplin oder Buster Keaton steigert sich alles bis zum rasanten, chaotischen, sinnentleerten Streit um die Bank. Sie wird fortgetragen, geworfen, stibitzt und unterm Hintern weggezogen. Am Ende zieht die Farbige, die zuerst verscheucht wurde, die Bank unter dem Menschenberg heraus, der sich im Zuge des Gerangels bildet, und haut damit ab. Dies alles zu Johann Sebastian Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 3 in G!
Foto: Diavolo Dance Theater

In Humachina ( 2002), einem Teil aus dem Werk Catapult, dreht sich alles - im wahrsten Sinne des Wortes - um das Rad. Noch dezent mit einem Duett an einem Kreissegment aus Alurohr beginnend, mit dem auch gewippt wird, addieren sich die restlichen Protagonisten mit drei weiteren Kreissegmenten hinzu, bis ein liegendes Rad entsteht. In diesem wird getanzt und geturnt. Nachdem das Rad gestellt ist, beginnt eine über die ganze Bühne rollende Darbietung, in der zunächst nur einer, dann zwei, dann alle 8 Tänzer eine wichtige Rolle spielen. Sie operieren mit dem Rad, nutzen es zum Ein- und Aussteigen, verlassen, betreten den Zirkel und springen hinaus, bilden Rosetten. Es bieten sich Assoziationen zum Leben an, das Rad dreht sich und Menschen werden in den Kreislauf hineingeboren und hinausgeworfen. Oder Mensch und Maschine als Metapher für die Industrialisierung.


Foto: Kristi Kahns


Foto: Kristi Kahns


Foto: Kristi Kahns
Foto: Kristi Kahns
Im zweiten Teil des Abends und dem Stück Trajectoire (1999) bildet sich ein Höhepunkt mit der schiffsähnlichen Wippe, die das ganze Ensemble beschäftigt. Trommeln wie aus dem alten Rom, beim Angriff eines antiken Kriegsschiffes, versetzen einen Moment in den Leib eines Schiffes, in dem sich Menschen abmühen. Seegang kommt hinzu, das Deck nun besetzt, alles steigert sich zu einem Kampf gegen einen Sturm. Ein Kampf ums Dasein, der volle Konzentration und Kraft verlangt, den man allerdings sicher verlieren wird.  Die Tänzer bewegen sich von Reling zu Reling, straucheln, rutschen, fallen und kommen immer wieder auf die Beine, vollziehen die Bewegungen im Ozean nach. Das Schiff nimmt Extrempositionen ein, Menschen rutschen von Bord, fliegen aus 3 m Höhe in die Arme von anderen Tänzern, der Kampf ums Zurückkehren auf das Schiff nimmt zu. Das Schwimmen vor dem wippenden Rumpf eine Gefahr. Ein Spiel mit dem Schrecken: das Fliegen der Leiber durch die Luft oder das Abspringen nach hinten ins Off. Am Ende nur noch der Kampf einer Einzelnen bis zum Untergang und Abgleiten vom Schiff ...

Mittwoch, 12. Juni 2013

Heute Abend in Ludwigshafen: CORPS DE WALK von Carte Blanche

Foto: Erik Berg


12.6.2013   I   19.30 Uhr   I   Theater im Pfalzbau, Theatersaal, Tanztheater


Carte Blanche
Corps de Walk

Choreographie: Sharon Eyal, Gai Bachar
Musik: Ori Lichtik

Preise: 38 Euro 32 Euro 26 Euro 20 Euro

Foto: Erik Berg
Die norwegische Company Carte Blanche besteht seit 1989 und gilt als das führende Ensemble des Zeitgenössischen Tanzes in Norwegen. Ihre kreative Heimat befindet sich in Bergen, der zweitgrößten Stadt Norwegens, wo zwei bis drei neue Choreographien pro Jahr entwickelt werden. Das Selbstverständnis der Company beruht auf den Werken einer neuen Choreographen-Generation, die für spannende Produktionsprozesse, Vielseitigkeit und nicht zuletzt für eine hohe Qualität des Repertoires sorgen. 

Zu dieser neuen Generation gehört auch die israelische Choreographin Sharon Eyal, die über zehn Jahre in der Batsheva Dance Company getanzt hat. 2003 feierte sie mit dem poetischen Stück Love ihren Durchbruch als Choreographin. Dem großen Anklang, den die Produktion sowohl beim Publikum als auch bei der Presse fand, hat sie es zu verdanken, dass sie seitdem in der Tanzszene enorm gefragt ist. Sharon Eyal ist für ihr kraftvolles, einmaliges Bewegungsvokabular bekannt, das oft überflutet ist mit sinnlichen Bezügen. Der Tanzkritiker Gabi Aldor beschreibt ihren sehr eigenen Stil folgendermaßen: »Eyal lässt das Feminine im Tanz so prachtvoll erscheinen, dass es in herrlicherem Glanz erstrahlt als im Leben, ja dem Göttlichen gleichkommt. Sie nähert sich dem Weiblichen in einem erfrischend alternativen Feminismus, vielleicht mit dem von Madonna vergleichbar, die sich jeden Tag neu erfindet.«
Foto: Erik Berg

In ihrer ausgeklügelten Choreographie Corps de Walk hat Sharon Eyal eine geradezu mathematisch angelegte Schrittfolge bis zur perfekten Synchronisation getrieben, sodass die Tänzerinnen und Tänzer wie Roboter erscheinen. Dadurch wird eine mechanische Energie freigesetzt, die fast beänstigend, aber zugleich auch betörend schön ist. Man wagt als Zuschauer kaum zu blinzeln, damit einem keine einzige Bewegung der marschierenden Beine und fliegenden Arme entgeht. Mit Corps de Walk zelebriert Sharon Eyal eine hypnotisierende Techno-Party, die einen ungeheuren Sog entfaltet.

Wie war's in Peter Handkes "Immer noch Sturm"? Oder Die Besucher aus dem Jaunfeld (Besprechung)

© Christian Brachwitz

© Christian Brachwitz
© Christian Brachwitz

Ganz nach Shakespeares "Immer noch Sturm" heißt das Theaterstück von Peter Handke, das 2010 erschien und 2011 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt wurde. Es erhielt 2011 den Nestroy-Theaterpreis bei den Salzburger Festspielen und 2012 den Mülheimer Dramatikerpreis der 37. Mülheimer Theatertage in einer Inszenierung von Dimiter Gotscheff. King Lear ist bei Shakespeare der letzte Patriarch seiner Sippe. Nach ihm kommen nur Töchter, die ihn gnadenlos abdrängen. Verzweifelt und voller Kummer bzw. Wut fleht er Blitz und Donner an, sie mögen seine Kinder und mit ihnen die ganze Welt vernichten: „Schlag flach den runden Erdenball!" „Immer noch Sturm" lautete Shakespeares Bühnenanweisung für diese Szene. Die Rolle des King Lear nimmt wohl der Großvater im Stück ein, ungeliebt, tyrannisch, heimatverbunden, Gerechtigkeit suchend. Bei ihm sind drei Wörter im Haus streng verboten: Gott - dies Wort verletze! - Liebe: "Nicht in meinem Haus!" - Friede: "...so ein Wahn." Und es gilt für die ganze Geschichte ...

Im Pfalzbau Ludwigshafen war das Mülheimer Theater an der Ruhr am 05.06.2013 unter der Leitung von Roberto Ciulli zu Gast mit diesem eigenwilligen Theaterstück, das die Biographie Handkes ebenso verarbeitet wie das Schicksal der Kärnter Slowenen, die als Untermenschen zum Teil interniert, zum Teil zu Zwangsarbeit verpflichtet oder bei Kriegsbeginn zwangsrekrutiert wurden. Handkes Mutter war Slowenin und hatte sich mit einem SS-Soldaten (Erich Schönemann) eingelassen, von dem sie schwanger wurde, der sie aber total ablehnte. Sie heiratete dann noch vor der Geburt den Berliner Wehrmachtssoldaten Adolf B. Handke, der sein juristischer Namensgeber und Erzieher wurde. Vom leiblichen Vater erfuhr Handke erst als junger Mann. Handkes Leben war in den ersten Jahren äußerst turbulent, sie zogen nach Berlin, der Vater scheiterte, sie flohen mit seiner Schwester Monika vor der Arbeitslosigkeit und Berlinblockade illegal zurück nach Griffen, Kummer und Frust ließen den Alkohol auftreten, Streitigkeiten bei den Eltern. Onkel Gregor stellte schließlich seinen Vater ein. Die Handkes waren eine Kleinhäuslerfamilie, quasi Tagelöhner, kleine landwirtschaftliche Arbeiter in einem kirchlich dominierten Umfeld.

Das Stück spielt im Jauntal (-feld) zwischen den Saualpen und den Karawanken, unmittelbar an der slowenischen Grenze, wo auch Handke im Haus des Großvaters Gregor Siutz geboren wurde. Heißt es im Originaltext, es erscheine ihm, dem namenlosen Ich in diesem Stück, die Heide, ein Apfelbaum mit 99 Äpfeln und eine Sitzbank, auf der er immer mit der Mutter saß, krabbeln in Ciullis Theaterstück aus Mülheim die Ahnen und Vorfahren wie Wiedergänger, Zombies oder Untote - bei Sturm! - durch das Fenster in den Raum, in dem Ich liegt und auf sie wartet. In einem spärlich eingerichteten Schlafzimmer, das auch alle fünf Szenen Mittelpunkt bleibt. Es treten auf die Großeltern, die Mutter, deren Schwester Ursula und ihre drei Brüder Gregor, Valentin und Benjamin. Handke spiegelt hier seine Familiengeschichte - vor allem auch die Beziehung zum Patenonkel Gregor Siutz (jr.) - in einem fortwährenden Traumspiel: 
"Welche Zeit soll hier gelten? ... Yugoslawien? Das gibt es schon lange nicht mehr! Vor dem Krieg noch als Königreich, nachher wieder als eine Republik ... bis es ganz verschwand." 

Es war das Leben als ethnische Minderheit in Kärnten, mit einer eigenen Sprache, eigenen Sitten und Bräuchen. Das Familienleben mit allen Streitigkeiten und Unflätigkeiten, wir werden auch immer wieder Zeuge der Beschimpfungen, spüren eine gewisse Feindschaft, die Ablehnung des Vaters, des jüngsten Onkels Benjamin, der Tante Ursula, Onkel Valentin so missraten wie der Vater Gregor, Onkel Gregor ein Einäugiger, der Agrarwissenschaftler mit dem Schwerpunkt Obstbau/Apfelanbau war, ein Fachbuchautor über Äpfel (er geistert durch viele Handke-Bücher), der wie seine Schwester Ursula zu den Partisanen wechselt, was in Handkes Familie nie vorkam, aber wohl eine Korrektur seiner erlebten Welt darstellt. Wenigstens im Traum gehandelt, aktiv geworden gegen all das Unrecht. Und tatsächlich erwachte 1941 der slowenische Widerstand, ein Partisanenkrieg gegen die Deutschen, deren Sprache verhasst war, aber gesprochen werden musste, die Widerstandslinie vom Pelepones bis nach Frankreich zur Résistance, die alle nur ein Ziel hatten, den Usurpator hinauszuschmeißen. In Wirklichkeit wohl nur ein stilles Aushalten der Unterdrückung in seiner mütterlichen Familie, am Kriegsende auch der Internierung und Ermordung Bekannter, so wie seit den 30er-Jahren schon die Juden oder andere Religionsanhänger, Rassen, Minderheiten, Andersdenkende in vielfach höherer Anzahl. Ein schwebendes Lamento über allem, Heraufbeschwören der schönen Zeit, des Lebens hinter den Karawanken, so - nur ein Jammertal. Ekel kommt bei Onkel Benjamin und Gregor zur Sprache, Ekel vor der Zeit, vor der eigenen Sehnsucht, vor dem Heimweh nach der Heimat, Ekel vor den Geschwistern. 1936 ein Jahr voll Jauche und Weh. 

Die Mutter des Ich wie Handkes Mutter als Deutschenhure bei den Slowenen verschrien, das Ich als Bastard und Volksfeind. Und dennoch, die Ahnen werden gebraucht! Das Ich: "Ohne euch kein Spiegel!", aber auch: "Lasst mich allein mit eurer falschen Ruhe". Es liest nur noch Geschichtsbücher: "Es bringt mich in Wut!" Onkel Valentin hatte dem jungen Ich noch in den Kinderwagen gerufen: "Gottgefällig zusammensitzen, das ist Politik!" Seine Mutter verdiente ganz wenig Geld durch Schauspiel, am Ende nur noch Theater in Scheunen. Zwei der Onkel kommen im Krieg um, Valentin und Benjamin, Ursula verschwand ebenfalls, es bleiben die Mutter Maria und Onkel Gregor. Am Ende sitzen die Großeltern alleine und verlassen da und warten auf Zeichen der Kinder ...

Es bleibt eine Erschöpfung des Zuschauers, der den langwierigen Familienzwist, das Geschehen in der Dumpfheit der Kleinhäusler verfolgt, zu ergründen versucht, das Schicksal in allen Poren spürt und die Unabwendbarkeit. Erleichterung am Ende, kurzer Applaus und - hier kann auch keine Begeisterung mehr aufkommen, worüber? Über diesen Stoff? Diese Geschichte? Es ist alles gesagt, keiner der Familie hat mehr Recht als der andere, keiner ist im Vorteil. Das Unheil, Schicksal, die Sinnlosigkeit in der Geschichte hat zugeschlagen. Das Ende kommt einfach und endlich.

Mittwoch, 5. Juni 2013

Heute Abend in Ludwigshafen: IMMER NOCH STURM, Theaterstück von Peter Handke


5.6.2013   I   19.30 Uhr   I   Theater im Pfalzbau, Ludwigshafen

Immer noch Sturm

von Peter Handke

Inszenierung: Roberto Ciulli
Bühnenbild: Gralf Edzard Habben
Kostümbild: Elizabeth Strauß
Dramaturgie: Helmut Schäfer
Theater an der Ruhr Mülheim
Preise: 33 Euro 28 Euro 23 Euro 18 Euro

Im Süden Österreichs an der Grenze zu Slowenien trifft der Ich-Erzähler, dessen Nähe zu Peter Handke nicht zu übersehen ist, zwischen 1936 und 1942 seine Familie, die Großeltern, seine Mutter und deren Geschwister, die allesamt nun jünger sind als der 1942 geborene Autor.
Es verweben sich die Geschichten – die der Familie mit der politischen: der Annexion Österreichs 1938 durch das dritte Reich folgt die einzige Partisanenbewegung gegen die Nationalsozialisten durch die slowenische Minderheit in Kärnten. Es verweben sich aber auch die Genres: Prosa und Drama verschwistern sich zu einem sprachmächtigen Text, den die größte Kunst des Schreibens auszeichnet, die Einfachheit.
»Immer noch Sturm«, dieser Satz zitiert Shakespeares König Lear auf der Heide, hier das Jaunfeld mit seinen Apfelbäumen, von deren Ernte die Vorfahren des Autors unter anderem lebten. Die Erinnerungen des Erzählers durchmischen sich mit Geträumtem, mit Vorstellungen und beschwören kraft der Poesie des Textes Gestalten hervor, die wirklich unwirklich die Szene bevölkern.
Und die politische Geschichte dieser europäischen Region, das zeigt der Blick zurück auf die letzten Jahrhunderte, hat ihre Konflikte nicht zu Ende gebracht.