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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Dienstag, 24. September 2013

Der 2. Septemberhit im SV Verlag: HERBST, Teil III der Jahreszeitengedichte von Heidi Huber

Stefan Vieregg (Hrsg.)
Jahreszeitengedichte (ePub) (Kindle Edition) (Der Vorverkauf fand bei kobobooks.de statt)
Teil III – Herbst von Heidi Huber   ca. 25 S., 2,49 €, ca. 4 Abb.

Der dritte Teil der Jahreszeitengedichte versammelt 13 Gedichte den Herbst betreffend. Thematisiert wird der Abschied nach dem Aufblühen, Reifen und Ernten. Sobald diese Aufgaben erfüllt und vollbracht sind, beginnt das Zerfallen, Altern und Sterben. Nicht immer ist das Grün bereit, es zwingend und sofort mitzumachen - es regt sich Widerstand, wenigstens eine Zeit lang. Insofern ist auch alles Geschehen ein Abbild des Lebenskampfes zwischen voll erblühter Schönheit, Reife, Üppigkeit und Absterben aller Qualitäten.

Sonntag, 21. April 2013

Dichterhain: MONDNACHT von Reinhard Stammer


Mondnacht
Mallorca 2007

Ich bin noch nie geschwommen weit hinaus aufs Meer,
denn ich liebte Land und Leute viel zu sehr
Wollte nicht hinabgezogen werden -
fühlt mich viel wohler hier auf Erden.


Als eines Nachts der Mond schien hell und groß
da kam mir ein Gedanke - und er ließ mich nicht mehr los.
Am Firmament die Himmelslichter blinkten,
so wie sie mir auch vom Horizont zuwinkten -
Verstört stand ich allein am Strand -
als ich mich schon in ihrer Nähe fand.


Kein Wellenschlag die Ruhe störte,
kein Stimmgewirr, das mich erschreckte,
auch niemand weit und breit, der sich empörte,
nur ab und zu ein Fischlein an mir leckte.
Das Meer war unergründlich schwarz und tief -
kein Denken mehr in dieser absoluten Stille.
Mir war's, als wenn von ferne eine Stimme nach mir rief,
ihr zu widerstehen fehlte mir die Kraft und auch der Wille.


Kein Atmen mehr, den Herzschlag auch vermeidend,
schloss die Augen ich, dem Horizont entgegentreibend.
Nie wieder werd zurück ans Ufer ich gelangen,
das Meer hält mich für alle Zeit gefangen.
Die Sterne spielen liebevoll auf meiner nassen Haut -
warum hab ich mich vorher nicht getraut?
Ein letzter Blick hinauf ins Himmelszelt -
die Sterne tanzen ihren Reigen.
Der Mond ganz sacht ins dunkle Wasser fällt -
ich lös mich auf in ungehörtes Schweigen.


Der letzte Atemzug ist nun verbraucht -
ich sink hinab, den Mond an meiner Seite,
der mich aus diesem Dasein liebevoll befreite -
und bin dann so für immer abgetaucht ...


 



(c) Reinhard Stammer, geb. 25.07.1952 in Glücksburg, ist in erster Linie Künstler.
Er begann seine Ausstellungstätigkeit 1968.
Er malt und lebt heute in Handewittfeld,

Schleswig-Holstein, Deutschland.

Mehr über ihn

Montag, 11. März 2013

11. März: 2. Jahrestag von Fukushima

Harma-Regina Rieth: Fukushima, Acryl
11. März 2011: 14:46 Uhr Ortszeit erschüttert mit einer Stärke von 9,0 das gewaltigste Erdbeben, das Japan je erlebt hat, den Nordosten des Landes, ein nachfolgender Tsunami überflutet große Teile der Küstengegend und sorgt für eine Spur der Verwüstung.
Opfer dieser Naturgewalten wird auch das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, da die unkontrollierte Kernschmelze mit ungeahnten Folgen droht.

25 Jahre nach dem durch menschliches Versagen verursachten Atomunfall von Tschernobyl zittert die ganze Welt mit, ob die Japaner - mit oder ohne Hilfe aus dem Ausland - die Situation in den Griff bekommen werden. Schließlich sind weite Teile der Infrastruktur rund um das havarierte Atomkraftwerk zusammengebrochen, müssen Zehntausende Menschen evakuiert und erstversorgt werden. Katastrophenalarm und die Angst vor ebenfalls verheerenden Nachbeben schwebt wie ein Damoklesschwert in der Luft. Ministerpräsident Yoshihiko Noda, der als Atomphysiker mit seinem energischen Durchgreifen wohl den befürchteten GAU verhindert hat, und Regierungssprecher Yukio Edano arbeiten unermüdlich im Katastrophenmanagement. Edano informiert - stets im blauen Schutzanzug - die Weltöffentlichkeit am laufenden Band über die Folgen der Katastrophe und die Maßnahmen der Regierung.

Nachdem sich das Ausmaß der Katastrophe im politischen Berlin erkennen lässt, wird Fukushima und seine Folgen zur Chefsache von Kanzlerin Angela Merkel. Im Jahr der 150-jährigen Freundschaft Deutschland - Japan kann sie nicht mehr verhindern, dass die Atomkatastrophe in Nordostasien das ausschlaggebende Thema der Landtagswahl in Baden-Württemberg sein wird. Am 27. März machen die Wähler den Weg frei für die erste grün-rote Landesregierung in Deutschland - und mit dem endgültigen Ausstieg bis 2022 einen radikalen Wandel in der deutschen Atompolitik.

Japan hat sich mittlerweile dem deutschen Vorbild angeschlossen und den schrittweisen Ausstieg aus der Atomkraft bis zum Jahr 2040 angekündigt. 

Harma-Regina Rieth (siehe Gemälde) hat nicht nur ein beeindruckendes Bild geschaffen, sondern auch eine sehr ergreifende Geschichte zum Thema geschrieben. Die Geschichte siehe Tschernobyl, Fukushima, Cattenom... BLUTIGE TRÄNEN VON FUKUSHIMA.

Samstag, 16. Juni 2012

Roswithas Zeilenfunde: KRIEGSLIED von Matthias Claudius [anlässlich der Aufnahme Syriens in die LISTE DER SCHANDE (UNO)]

Kriegslied

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre
Und rede du darein!
's ist leider Krieg - und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!
Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen

Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen
Und vor mir weinten, was?
Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,

Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?
Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?
Wenn Hunger, böse Seuch und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammleten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf' mir Kron und Land und Gold und Ehre?

Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Matthias Claudius
(Erstdruck im Vossischen Musenalmanach, 1779, S. 75)

Freitag, 6. April 2012

Ostermeditation mit Harma-Regina Rieth: Kreuzigung


(c) Harma-Regina Rieth
Ein Seufzer nur...
Wie ist denn die Ewigkeit 
Wie kann sie nur sein ...
Ein Seufzer am Tag 
Für dich allein
Wie ist denn die Ewigkeit 
Wie wird sie nur sein ...
Ein Seufzer in der Nacht 
Für dich allein


Wie ist denn die Ewigkeit 
Wie soll sie nur sein ...
Ein Seufzer nur in der Unendlichkeit 
Für dich allein
Lass mich in der Nacht in den Glanz der Sterne fliegen 
Lass mich am Tag in den goldenen Sonnen wiegen 
Lass mich jeder Zeit im Himmel meine Ängste besiegen
Fühl dich wohl in der Ewigkeit
Und nicht nur du allein
Ein Seufzer nur
Und es ist vergessen alles Leid ...


(Für Inge)          (c) Harma-Regina Rieth

Montag, 2. April 2012

Tschernobyl, Fukushima, Cattenom... BLUTIGE TRÄNEN VON FUKUSHIMA von Harma-Regina Rieth


(c) Harma-Regina Rieth: Fukushima, Acryl

Blutige Tränen von Fukushima

Wie lange ist es schon her, seit ich hier zusammengekauert und gekrümmt in einer müllhaldeähnlichen Landschaft verharren muss? Ein Tag oder zwei Tage, oder gar schon drei Tage? Ich habe die Zeit und die Orientierung völlig verloren, es rauscht in meinen Ohren und in meinem dröhnenden Kopf spiegelt sich das unglaubliche Geschehen der Vortage wider.
Was war eigentlich passiert? Ich versuchte meine Gedanken neu zu ordnen. Gerade als ich auf dem Weg zu meinen Eltern war, wollte ich doch eigentlich nur einen kleinen Abstecher runter zum Strand machen. Ja, so war es, ich wollte meine Eltern in Fukushima besuchen. Ich bemerkte nicht sofort das drohende Zittern der Erde. Ich spielte gedankenverloren mit den Füßen im herrlich weißen Sand, als der Sand erneut langsam zwischen meinen Zehen zitternd herunterrieselte, dann vernahm ich nur noch ein tosendes, krachendes, berstendes Geräusch. Im gleichen Moment durchzuckte mich eine unwirkliche Angst. Ich wusste nicht, wieso diese Angst mich mit einem Male so beherrschte und warum ich wie erstarrt im Sand sitzen geblieben war.
Ich schaute in Richtung Meer und sah, wie sich die Wellen unwirklich auftürmten und drohend auf den Strand, auf mich zukamen. Regungslos, gelähmt vom Schock und erstarrt vor Furcht saß ich da und sah das Meer und seine Wellen immer schneller auf mich zukommen.
Eigentlich ist es ein wunderschöner Tag. Was sollte da schon passieren?, dachte ich, wie um mich zu beruhigen, bevor es nass, schlammig und unendlich kalt und dunkel um mich wurde. 

So war es gewesen vor Tagen. Und jetzt? Ich schaue an mir herunter und sehe mich dreckverschmiert, mit mehr oder minder starken Verletzungen an den Armen und Beinen. Die Haut aufgerissen, das Fleisch aufgeplatzt, Hautabschürfungen am ganzen Körper. Aber ich lebe. Ich lebe!
Mit geweiteten Augenpupillen blicke ich mich vorsichtig und angstvoll um.
Meinen Urlaub wollte ich übers Wochenende hier in Fukushima verbringen. Doch wo ist die Stadt? Müll, Dreck, Metallschrott, Steine, Möbelteile, leblose Tiere, Gegenstände aller Art – doch Menschen? Ich sehe keine Menschen hier – wo sind sie, wo sind die Menschen? Alle tot? Kein Geräusch ist zu hören, kein Vogelgesang, absolut keine Tiergeräusche. Stille. Es gibt keine Geräusche mehr um mich herum, ich höre nur noch das Blut in meinem Kopf pochen und durch meine Adern strömen, eher langsamer werdend ....
Keine menschlichen Stimmen, wo ist das Lebendige? Geräusche der Menschen, der Stadt? Wo ist das alles? Wo sind sie alle? Wo ist das pulsierende Leben?
Langsam versuche ich meine Gliedmaße zu ordnen und löse mich aus meiner augenscheinlichen Erstarrung und Verkrampfung. Endlich schaffe ich es aus meinem verdreckten Müllbett zu kriechen. Mein Blick schweift über die unwirkliche, verzerrte und utopische Landschaft. Und meine hilflose Situation wird mir schlagartig bewusst.
Was ist das hier? Wo bin ich hier? Das ist doch nicht mehr meine Heimatstadt Fukushima!
Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen und versuche meine neue Umgebung zu erkunden.
Das Meer ist weg, ich sehe keine Wellen und keine aufschäumenden Wogen mehr.
Alles um mich herum ist mit Schlamm und Dreck überladen, Möbelstücke, Autos, Kleider, Fahrräder, Bücher, Maschinen. An einigen Stellen sehe ich Hände und Köpfe von leblosen Menschen aus dem Chaos ragen, mit erstarrten Augen und geöffneten Mündern, andere wirken, als ob sie schlafen würden, die Beine von toten Tieren ragen in die Luft. Aufgedunsene Hundeleiber. Der Dreck beherrscht die ganze Umgebung, bizarr und unwirklich ist alles, so weit man sieht, überall Müll, Chaos, Tod und Zerstörung. 
Hier und da kämpfen Fische im Schlamm um ihr Leben. Mit übergroßen Augen schauen sie mich fragend an, angstvoll, zitternd, zappelnd.

Antworten. Antworten bedurfte es! Was ist hier geschehen? Ein Erdbeben, eines der Tsunamis, die unsere Küste selten, aber immer wieder heimsuchen? Was ist mit mir geschehen? Wo war ich in diesem plötzlichen Erfasstwerden? Was hat das Meer mit mir gemacht? 
Die Nacht umarmte mich erneut und ich fiel zurück in einen neuen unruhigen Angstschlaf. Lebe ich noch - oder bin ich schon tot? Ich wollte nicht mehr denken, ich hatte auch keine Angst mehr, ich wartete geduldig. Aber auf was wartete ich eigentlich? Befand ich mich schon in der Unendlichkeit der Ewigkeit? War ich die einzige Überlebende? Die Erde zitterte wieder, ich war erschöpft und klammerte mich an dem Gedanken fest, dass ich nicht alleine sein kann, hier in diesem kalten dreckigen Schlamm und Müll.
Ein übler Geruch kroch in meine Nase und ich sah, wie sich die Fischaugen neben mir allmählich langsam auflösten. Angewidert vom Anblick des stinkenden Fisches wandte ich mich ab. Meine Haut brannte wie Feuer, doch sie erwärmte so allmählich meinen ausgekühlten fast gefrorenen Körper. 
Wasser …! Ich brauche Wasser, ich muss etwas trinken!
Auf allen Vieren kriechend machte ich mich auf den Weg um etwas Trinkbares zu finden. Schlagartig vielen mir die ewigen Werbeblöcke mit allerlei köstlichen Getränken der Fernsehsender ein, die mehrmals zwischen meinen Lieblingssendungen hereinflimmerten. 
Jetzt flimmerten die Werbeblöcke vor meinem inneren Auge, nach ihren Getränken lechzend beobachtete ich sie gierig. Ich habe Angst verrückt zu werden, durchzudrehen. Mein Mund völlig ausgetrocknet, ich fühlte mich wie ein Reiskorn, das sich nach Wasser sehnt.
Unerreichbar... In unerreichbarer Ferne schien jeder Tropfen Flüssigkeit.
Nein, ich gebe nicht auf, ich suche weiter, immer weiter … Und endlich sah ich eine, wie mir schien, mit mir weggespülte Flasche. Mit letzter Kraft schraubte ich den Verschluss auf – leer, sie ist leer! Hysterisch schüttle ich die leere Flasche. Das kann nicht sein, durchzuckt es mich, in meinem Innern brennt es, ich muss den ohnmächtigen Brand in mir endlich löschen. Fahrig, zittrig, mit weit aufgerissenen Augen beobachte ich den teilweise skelettierten Fisch neben mir, der mich gestern vielleicht noch groß angestarrt hatte.
Ich ahne Böses und resigniere. Das Feuer auf meiner Haut brennt sich derweil weiter durch mich hindurch. Aus tausenden blutigen Hautrissen quillt mein Leben. Mein Leben brennt lodernd sengend weg. Einer Ohnmacht nahe habe das Gefühl mich aufzulösen.
Neben mir liegt ein verschmierter Zettel, und ich greife zeitlupenartig danach. Meine Fingerkuppen scheinen mir unwirklich, als ob es nicht meine wären, entstellt. Ich sehe das Abbrechen der aufgeweichten Fingernägel, und weiß, dass ich mich beeilen muss …
Ich streiche mir langsam durch mein Haar und halte es in meinen Händen. Angewidert von mir selbst, blicke ich in das Glas der leeren Flasche und erkenne mich selbst nicht mehr.
Erschrocken über mein Spiegelbild laufen mir blutige Tränen über meine brennenden Wangen, das Salz der Tränen frisst zusätzlich eine tiefe Furche in mein Gesicht.
Und plötzlich quellen unaufhaltsam immer mehr blutige Tränen aus meinen Augen. Ich muss den anderen Menschen sagen, was passiert ist! Sie müssen wissen, welche unsichtbare schleichende Gefahr ihnen droht! Ich muss versuchen ihnen dies alles, was mir widerfahren ist, mitzuteilen! Ich blicke wieder in das Glas der leeren Flasche, glanzlose Augen starren mir entgegen. Aschfahle blutige Haut umrahmt mein vormals hübsches, jetzt kaum noch zu erkennendes Gesicht. Auf meinem Haupt fehlen große Büschel Haare, es ist fast haarlos. Meine Haut zeigt vereinzelt eitrige Hautkrater, die Kahlheit, Verletztheit meines Körpers ist bezeichnend, alles wirkt eigentlich schon leblos und tot an mir.
Denke ich noch, als Ich? Bin ich es noch? „Hallo, Mutter, hallo, Vater, schön euch zu sehen.“ Ich blicke auf … „Bitte nehmt mich mit, sagt doch was, warum sprecht ihr nicht mit mir?“ Ich strecke ihnen Hilfe suchend meine Arme entgegen, doch sie greifen ins Leere. 

Wochen später fand man bei den Aufräumungsarbeiten in der Nähe von Fukushima eine stark verschmutzte Flasche mit einem verschmierten, mit Blut beschriebenem eingerollten Zettel und ein mit Blut getränktes Holzstäbchen. Es diente jemandem scheinbar als Schreibstift, der einen mit Blut geschriebenen Text verfasste. Als ob er den Inhalt beweisen wollte, legte er ein Haarbüschel sowie einen abgerissen Fingernagel dazu. Es war eine Frau, die ihre Erlebnisse, Gedanken und ihren Tod anderen mitteilen wollte. Die Botschaft der blutigen Tränen: Fukushima kann überall sein. Wo ist es morgen? 

(c) Harma-Regina Rieth

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Buchbesprechung: Bis später - Ventil Verlag (Unabhängige Verlage in Deutschland)

Sabine M. Krämer
Bis später 
Roman
Mainz 2010, 138 S., Paperback, (Hardcover geplant)
14,90 €, Ventil Verlag

"Der Ventil Verlag wurde 1999 als Zusammenschluss des Verlags Jens Neumann, der Literaturzeitschrift Ventile - Texte & Bilder (amanita-media) und der Buchreihe testcard - Beiträge zur Popgeschichte gegründet. Der Verlagssitz ist in Mainz. Im Jahre 2004 kam es zum Zusammenschluss von Ventil Verlag und dem 1999 gegründeten und von Theo Bender geführten Bender Verlag." (wikipedia). Zu den Veröffentlichungen zählen Bücher über Hip-Hop, Free Jazz, Popjournalismus, Popliteratur, Punk, Hardcore Punk sowie rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popkultur, Feminismus und Queer Studies.

In sehr eindringlicher und äußerst feinfühliger Art hat Sabine Krämer hier verschiedene Momentaufnahmen am Ende des Lebens entworfen. Innere Monologe von Todgeweihten, Greisen, Menschen, die oft noch nicht abgeschlossen haben mit ihrem Leben und nicht verstehen, warum sie jetzt im Hospiz sind, gehen sollen, oder unklare, wirre Vorgänge erleben. Sich fragen, weshalb dies und das mit ihnen passiert oder nicht passiert, mit ihnen getan wird oder unterlassen wird zu tun. 
Die Vergangenheit, die Gegenwart und die ungewisse Zukunft greifen ineinander, der Blick schwenkt zurück, in die Jetztzeit und in die Zukunft - hin und her. Die Innenschau verschiedener Menschen ist der Autorin sehr gut gelungen. Viele Senioren werden sich in ähnlicher Lage wiedererkennen oder Jüngere werden verstehen, was in einem alten Kopf vorgehen kann.
In der letzten Geschichte der Blick von der anderen Seite: Die Pflegekraft, die in verschiedene Räume geht, ganz Unterschiedliches erlebt, Patienten mit sich selbst beschäftigt sieht oder mit überraschend gestorbenen Menschen konfrontiert wird, teilweise erschreckende Situationen, weil Menschen im Todeskampf oder durch einen Unfall unnatürliche Positionen im Sterbebett einnehmen. 
In diesem kleinen Bändchen mit großer Wirkung hat Sabine Krämer die Übergänge von Leben zu Tod in der Pflegesituation erlebbar und nachfühlbar gemacht.


"Diesmal ist es wirklich der Anfang. Ich werde nicht mehr aufstehen können, meine  Knochen werden nicht mehr heilen. Es dauert nur wenige Tage, bis sich auf diesen Knochen nichts als nur noch Haut spannt. Es ist Sommer geworden. Die Mittags- und Nachmittagssonne knallt auf die Hauswand, auf die zugezogenen Fensterläden, hinter denen mein  Bett steht, die Luft dick und heiß, sie riecht nach Erde.


Ich muss aufstehen. Ich habe zu tun. Ich muss packen. Ich werde abgeholt! Meine Hände greifen nach dem  Koffer, nach den Kleidern, den Geschenken ins Leere. Meine Füße finden keinen Boden. Und dann ist da dieses Fest draußen vor meinem  Fenster. Die Musik: Wir kommen alle alle alle in den Himmel. Weil wir so lieb sind."


"Sie haben mich aus dem Haus geführt und hierher gebracht. Hier hat man mich am selben Abend in den Keller,in dieses Bett gebracht. Ich habe nur eine Nacht hier drin geschlafen und am nächsten Morgen schon habe ich nicht mehr aufstehen können. Seitdem liege ich hier. Ich komme nicht mehr raus, im Leben nicht mehr. Aber du, du kommst jetzt zu mir. Steig über das Gitter. Komm, leg dich zu mir. Ich hab hier Platz nur für dich. Ich deck dich zu mit meinem weißen Hemd.


Da drüben bist du, mein Schatz, nicht zu fassen. Steig über den Zaun. Komm zu mir in den Garten. Siehst du die kleinen roten Lichter überall, die Blumen, die Steine? Mein Häuschen so groß wie ich und du. Meine Hände sind braun, sagst du, mein Mund  ist braun. Was ich gemacht habe, fragst du. Ich bin im Garten, es ist feucht. Herbst ist, hier im  eckigen Untergeschoss. Es ist dunkel. Ich will nichts, nur dich."



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