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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 12. Mai 2013

Retrospektive: Les Petits Plaisirs d' Amélie

Die fabelhafte Welt der Amélie (Originaltitel: Le fabuleux destin d’Amélie Poulain, dt. Das märchenhafte Schicksal der Amélie Poulain)
Einfach die Videos der Reihe nach aufrufen.

http://de.wikipedia.org/wiki/Die_fabelhafte_Welt_der_Am%C3%A9lie

Dienstag, 22. Januar 2013

DER VERLORENE RETTER von Artem Zolotarov

(c) www.BilderKostenlos.org

Der verlorene Retter

"Man muss sich gegenseitig helfen, das ist ein Naturgesetz."
Die untergehende Sonne kämpft gegen das Leuchten und Flackern der Neonbuchstaben auf dem Parkplatz. Nachdem die letzten Autos das Weite gesucht haben, gehen die Lichter aus, und die Nacht setzt zu ihrer Patrouille an. Allein der Wind wirbelt abenteuerlustige Herbstblätter herum, die ihren Müttern vor langer Zeit entrissen, auf die erlösende Härte und Stille der Winterböden warten. Doch der Winter ist nicht jedem ein Freund. Eine vermummte Gestalt stolpert die Straße entlang. Sie trägt einen alten Militärmantel, dem, aus seinem Gefecht gegen den Lauf der Zeit, zahlreiche Löcher und notdürftig geflickte Wunden geblieben sind. Die Flasche in seiner Rechten ist noch halb voll und der fehlende Rest wärmt seine Innereien, so dass er die Kälte kaum spürt. Hinter der Mülltonne breitet er sein Nachtlager aus – ein Pappestück und einen Sack. In seinen Augen ebbt der Schmerz und die Flut der Erinnerungen übermannt ihn.

Wie wars heute in der Praxis, Papa?“
Wie immer, Schatz. Frau Müller war diese Woche zum vierten Mal bei mir. Sie hat sich den Zeigefinger an einer Raviolidose geschnitten und bekam Panik. Aber ich konnte sie überzeugen, dass eine Amputation nicht nötig sei und die Wunde mit einem Wundpflaster versorgt.“
Oje, die Frau nervt dich doch bestimmt ohne Ende?“
Manchmal schon. Aber sie kann nichts dafür. Nachdem ihr Mann gestorben ist, hat sie nicht mehr viel zu tun. Da ist jeder menschliche Kontakt wie ein Kur für die Seele.“
Die kleine Familie war gerade auf dem Weg nach Hause. Sie hatten in ihrem Lieblingsrestaurant zu Abend gegessen und freuten sich auf den Dvd-Abend, den der Vater ihnen versprochen hatte. Als Arzt war er nur selten für solche Freizeitaktivitäten zu haben, aber dieses Mal wurde er mit sanfter Gewalt von seiner Frau gezwungen und freute sich sogar, dass ihn endlich jemand aus seinem Praxis-Alltag befreien konnte.
Auf der Landstraße war es ruhig. Der Mercedes glitt durch die Dunkelheit und das weiß-blaue Neonlicht der Frontleuchten schnitt zwei Kegel in das vom Regen geschwärzte Asphaltfleisch. Vater Uwe hielt das Lenkrad sicher und konzentrierte sich auf die Straße. Der Regen setze wieder ein und kleine Tropfen benetzten die Scheibe des Wagens. Die Sicht wurde immer schlechter. Nach wenigen Minuten kamen die Scheibenwischer den Wassermassen kaum mehr nach und Uwe schaltete die sie auf die höchste Stufe. Eine letzte Kreuzung war noch zu überqueren, bis die heimische Garage als sicherer Hort vor dem Regenschauer bereitstand. Die Ampel winkte einladend gelb, da zu dieser späten Stunde kein großes Verkehrsaufkommen die Kreuzung mehr belastete. Uwe hielt an der Kreuzung, schaute zu beiden Seiten und setze den Wagen wieder in Bewegung, dabei vergaß er den richtigen Gang einzulegen, so dass das Getriebe, nach einem kurzen Aufschrei, seine Arbeit versagte und das Brummen des Motors verstummte. Nur noch das monotone Regenrauschen war zu hören war.
Ach Uwe, immer wieder dasselbe mit dir“, sagte die Mutter. „Gib dich nicht auf, lern Hupen und Schalten“, ergänzte sie scherzhaft.
Ist gut Schatz, wir haben alle herzhaft gelacht.“
Keiner der Wageninsassen bemerkte, wie sich ein zu schnell fahrender Transporter ihnen näherte. Dessen Fahrer wiederum tippte gerade eine kleine Liebesnachricht für seine Frau ins Handy.
Der Transporter prallte mit voller Wucht in den Familienwagen.

Als er die Augen aufmachte, fand er sich in einem Krankenhauszimmer wieder. Eine Infusion beschwerte seinen Arm und um seinen Kopf ertastete er einen Verband. In seinem Kopf war es leer, nur der Regen prasselte immer noch und wusch alles fort. Ein Flimmern machte sich bemerkbar und ihm wurde klar, dass er unter Medikamenteneinfluss stand. Wie oft hat er selbst Patienten betäubt, um sie von ihrem Schmerzen zu erlösen und nun war er selbst der Patient. Die Zimmertür ging auf und eine Schwester kam herein. Ihr folgte der Arzt.
Herr Bonn, es freut mich, dass Sie wieder bei uns sind. Wie geht es Ihrem Kopf?“
Was ist passiert? Wo ist meine Familie?! Wo sind meine Kinder!?!“
Herr Bonn, Sie brauchen jetzt Ruhe, viel Ruhe und Erholung. Das ist das Wichtigste.“
Sagen Sie mir, wo meine Kinder sind!“
Der Arzt schaute verlegen zu Boden, dann kam er näher ans Bett, legte seine Hand auf Uwes Schulter.
Es tut mir Leid. Es gab einen schrecklichen Autounfall in den Sie uns Ihre Familie verwickelt wurden und... Sie... ähm.“
Er stockte und suchte nach dem richtigen Worten. Seine Augen ließen Mitgefühl erahnen, spiegelten aber nur die routinierte Schauspielkunst eines Profis. Er senkte den Blick wieder zu Boden, zählte innerlich bis drei und sagte: „Es tut mir Leid. Keiner außer Ihnen hat den Unfall überlebt. Dass Sie noch am Leben sind, ist auch ein Wunder.“
Das Flimmern wurde wieder stärker, dazu kam ein Piepen und Pfeifen. In Uwes Kopf blähte sich etwas auf und platzte, was ihn bewusstlos werden ließ.

Nach drei kräftigen Schlücken ist die Flasche leer, wobei gut die Hälfte des Gesöffs auf seinem Mantel landet. Uwe greift in die Tasche und sucht nach Geld, sucht nach dem, was er vor kurzem noch in Überfluss hatte und was ihm jetzt fehlt, um den damaligen Überfluss wieder kurz aufleben zu lassen. Die schmutzige Hand holt ein paar Cent heraus, und ihm wird klar, dass es für keine Flasche mehr reichen wird. Benebelt und durchnässt rollt er sich auf die Seite, um die gewohnt albtraumvolle Nachtruhe zu empfangen.
Ein plötzliches Krachen zieht ihn aus dem Schlaf. Benebelt macht er die verquollenen Augen auf. Beim Blick nach vorne erkennt er, was den Lärm verursacht hat. In zehn Metern Entfernung, direkt neben dem Parkplatz, stehen zwei Autowracks. Rauch qualmt aus den Motorhauben, die Scheiben sind zerbrochen und eines der Fahrzeuge liegt mit den Rädern nach oben.
Plötzlich durchfährt ein Ruck seinen Körper. Er springt auf und setzt sich in Bewegung. Sein Kopf ist plötzlich klar, seine Augen wach; er ist bereit, Gelerntes umzusetzen, Leben zu retten, einfach zu helfen. Am Unfallort angekommen, findet er zwei bewusstlose Fahrer. Blutüberströmt liegen beide in den Autowracks. Hektisch zieht er beide hinaus und versorgt sie notdürftig – stabile Seitenlage, Beatmung, Blutung stoppen. Doch eines der Opfer blutet weiter, der Blutstrom will nicht aufhören, egal was er macht, es scheint aussichtslos. Mit einem Druckverband presst er die Wunde zu. Minuten vergehen, die ihm wie Stunden vorkommen bis er Krankenwagensirenen näher kommen hört. Sanitäter springen aus den Wagen und rennen zu den Verletzten. Alles ist wie früher, denkt er sich, es ist alles wieder wie früher.

Am nächsten Tag überschlagen sich die Zeitungen mit Sensationsschlagzeilen: „Schwerer Autounfall, beide Fahrer überleben wie durch ein Wunder.“
Prost, auf euch, Jungs“, sagt er zu sich selbst, als er die neue Kornflasche zum Mund führt. Es ist wieder Abend und die Kälte frisst sich heute stärker in sein Fleisch. Sie haben ihn mit keinem Wort erwähnt. Traurig blickt er zu Boden und zählt bis drei. Die zusammengeknüllte Zeitung dient heute als Kissen. Wenigstens etwas...

Mittwoch, 20. Oktober 2010

Unabhängige Verlage in der Schweiz: CD zur bunten, schrägen Welt der Alpen bei orte

Malcolm Green, Werner Bucher
Spazieren mit dem gelbgrünen Puma
CH-Oberegg AI 2010, CD mit Booklet, 
71 Min. Laufzeit, 19 EUR, orte verlag

Werner Bucher, 1938 in Zürich geboren und aufgewachsen, heute in Oberegg wohnend, den orte verlag auf Rütegg unterhaltend, ist ein ungewöhnlicher Lyriker. Schon die Gedichtesammlung "Wenn der Zechpreller gewinnt" zeugt davon. Bucher, der bei der journalistischen Zunft landete und als Kultur- und Inlandsredakteur bei einer Tageszeitung arbeitete, hat bislang zwei Bände "Schweizer Schriftsteller im Gespräch", mehrere Gedichtbände, einen Roman ("Im Schatten des Campanile") und etliche Erzählungen veröffentlicht.  Seit 3 Jahren gibt es in Wald AR und in der Wirtschaft Rütegg seiner Frau Irene die "Appenzeller Literaturtage". Und die von ihm herausgegebene Schweizer  Literaturzeitschreift "orte" erreicht dieses Jahr ihre 166. Ausgabe.
Auf der vorliegenden CD "Spazieren mit dem gelbgrünen Puma" präsentiert der Autor 28 Gedichte, die sich gegen eine allzu leichte Verinnerlichung wehren. Er verliest sie wie ein Wald- und Bergbewohner, ein Fabelwesen, laut, fordernd, abwechslungsreich. Nichts ist rund und gefällig, eher übertrieben, närrische Metaphern, schrille Töne und Bilder bevorzugend, bisweilen die absolute Versöhnung im ruhigen Bild und der Selbstkritik, in der Resignation suchend. Die Welt ist schon lange nicht mehr heil, das Leben, die Welt "im Eimer", von wegen großartig, wie der Titel eines Gedichtes vermuten ließe. Die Aufbegehrer eine Art "Stauffenbergs" gegen die Diktatur des Absurden ...
Gott hat die Welt vergessen und sie ihn. Höchstens noch in der Perfektion der Natur ist etwas von ihm zu spüren. So erscheint dem lyrischen Ich, das oft in einer Art Dialog mit sich und einem Du zu stehen scheint, die alpine Landschaft zwar wie eine nackte Frau, die rechte Brustwarze des Säntis eine Wirtschaft, deren Tür sich am Ende öffnet, aber die Umweltschäden sind allgegenwärtig  fühlbar. Skifahrerschäden, Flora und Fauna beeinträchtigt, auch globale Bedrohung durch Tschnerobyl und Raketen, der geschundene Leib. Dieses Mal eine Frau?
In "Morgen fällt kein Schnee" sind es nur noch die kleinen Tiere, nicht Flöhe "eher Propellertiere", die noch existieren. Kaum noch beschreibbar, fast unwichtig, aber irgendwie interessant. Das Dasein eine verbogene, trügerische Angelegenheit, das Natürliche zurückgedrängt, erniedrigt, verfremdet.
"Überall lügen Politiker, fern jeglicher Scham" heißt es in "Weitere Stürme sind angesagt". Immer wieder taucht das Schicksal auf, das bestimmt. Statt Karriere der Treppensturz, wie bei Fritz Wunderlich in den 60er-Jahren, dem Startenor aus Kusel, der alles zunichte macht, die Liebe unerwidert. Ein Dichter, fast so wie der große Schweizer Poet Blaise Cendras, bemüht sich um die Gunst Gottes, hält sich für Blaise, aber es wird wie vieles andere nicht abgesegnet. Manchmal die Nähe noch zu Gott, etwas spürbar, erträumt trotz aller Kritik an ihm, macht Zungen reden, auch Kritik an ihm selbst, als ob "Göttliches sie gestreift hat".
In dem kleinen Manifest "Ich erwarte" dann die Hoffnung, dass Gott weder Amerikaner noch Schweizer, sondern einer aus Benin sei, dass Politiker stürben, bevor sie geboren seien, dass wir nach dem Tode "wiederkommen", "ohne den Dreck im Bauch" als eine Art "Supermann". Dass Aphrodite mit allen schliefe, die von Schönheit träumten und nachts alleine wären, und schließlich die Erwartung, dass Ehe durch Liebe und Liebe durch Offensein ersetzt werde. Dass Kinder geboren würden.
All diese Feststellungen, Beschreibungen, Forderungen und Hoffnungen pointierend, zäsierend und untermalend die mal schrägen, mal wohlklingenden, bisweilen wimmernden Saxophontöne Malcolm Greens, einem studierten US-Saxophonisten, prämierten Jazzmusiker und Lehrer für Jazzgesang, der heute in St. Gallen wohnt.
Ein Hörwagnis, das sich rentiert...



Morgen fällt kein Schnee


 Über den Nagelfluhfelsen
 das nicht zu übersehende Zittern der Tiere, du
 gehst trotzdem, gleitest gelegentlich aus
 auf den feuchten Rillen, die Biker
           --- frech wie sie sind --—
 in den schwarzen Boden gedrückt haben, hier
 Könnt's trotzdem Wölfe geben, Bären, Wildsauen, Luchse
 ohnehin, aber du siehst nur winzige Tierchen, denen
 gar einer wie Malet* nie einen Namen geben könnte. Entzückt
hätt er dafür hier auf Baumstrümpfen lauter närrische Gedichte
geschrieben, vor dem dunklen, von Bäumen
                                     überdachten Pfad. Du
schreibst nicht eines, denkst
an die seltsame Luzernerin, die
dir keine Antworten schickt. Du
lässt sie dennoch nicht im Stich, und
wenn sie deine neuen Sätze liest, wird
sie/vor Freude in die Luft springen, du
bist jung, du bist alt, die Tierchen
sind kaum von einem anderen Planeten, Flöhe
jedenfalls sind's keine, eher Propellertiere. Als
die Schöne von der Uhlandhöhe vor Jahren
jenes Haus betrat, das du so mochtest, hüpften
in diesem Garten ähnliche Viecher. Du gibst aber
nicht auf, bist auf gemächliche Tempi eingestellt.


Morgen, da hab ich nicht den geringsten Zweifel, wird
                                               kein Schnee fallen. Das Leben
                                                                                         ist nicht aufzuhalten.
* Léo Malet, franz. Surrealist, der zuerst närrische Gedichte schrieb, später Krimis.