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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Donnerstag, 21. Mai 2020

Campact-Petition: Die äußerste Rechte versucht über Spotify, Interessenten zu gewinnen...

CAMPACT

Rechte in der Playlist


Spotify bietet nicht nur Internet-Musik: Es gibt zudem viele Podcasts – das sind Gesprächsrunden, meist zu aktuellen Themen. Klingt harmlos. Doch hier verbreiten auch Rechtsextreme ihr Gedankengut. Darunter die Gruppierung „EinProzent“. Der Streamingdienst bietet ihr eine Plattform – und wird so Teil der rechten Medienstrategie. Unterzeichnen Sie die WeAct-Petition des „Berliner Bündnisses gegen Rechts“, damit Spotify den Podcast sperrt.



Popmusik, Kinder-Hörbuch, Wissenschaftspodcast und dazwischen eine Runde mit Nazis. Auf dem Musikstreamingdienst Spotify macht sich eine Gruppe von Rechtsextremen breit. Knapp 300 Millionen Menschen nutzen Spotify [1], viele davon in Deutschland. Sie will der Verein „EinProzent“ erreichen – mit einem Podcast.

Im gelassenen Ton plaudert man zum Beispiel mit AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Das Gefährliche: Hier versteckt sich Rechtsextremismus hinter einer bürgerlichen Fassade. „EinProzent“ ist eng verknüpft mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung (IB).[2] Die IB-Führungsfiguren kommen aus der NPD-Jugend, aus radikalen Burschenschaften und sogar aus der verbotenen Neonazi-Organisation Heimattreue Deutsche Jugend.[3]

Das Berliner Bündnis gegen Rechts entlarvt die Strippenzieher der Plauderrunde als „üble Hetzer gegen eine offene und tolerante Gesellschaft“.[4] Mit einer WeAct-Petition fordern sie Spotify auf, den rechtsextremen Podcast nicht länger zu dulden. Das könnte klappen: Facebook und Instagram haben „Ein Prozent“ bereits gesperrt.[5]

Spotify hält sich bedeckt. Noch. Der deutsche Markt ist wichtig für das Unternehmen. Wir können Spotify zum Einlenken drängen – wenn Sie und Hunderttausende Menschen mit Ihnen unterschreiben. Bitte machen Sie mit. Denn jeder Tag, an dem sogar Kinder und Jugendliche den radikalen Podcast hören können, ist einer zu viel.

Klicken Sie hier und unterzeichnen Sie die WeAct-Petition

Denn was dahinter steht, ist alles andere als harmlos: Den Führungsfiguren von EinProzent, darunter prominente Rechte wie Götz Kubitschek vom Institut für Staatspolitik, Jürgen Elsässer vom Compact-Magazin oder der Verleger Philip Stein, geht es um eine komplett andere Gesellschaft, in der für Minderheiten und Andersdenkende kein Platz mehr ist.

Initiator und Moderator des Podcasts ist Arndt Novak, ein ehemaliger Aktivist der völkischen Gruppe Identitäre Bewegung (IB). Zu seinen Interviewpartnern gehörten bisher unter anderem der AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, der ehemalige österreichische Innenminister und FPÖ-Scharfmacher Herbert Kickl, sowie Oliver Hilburger, der Kontakte zu Unterstützern des NSU pflegt.

Diesen Podcast bei Spotify zu veröffentlichen, ist Teil ihrer Medienstrategie: Seit Jahren betreiben „EinProzent“, die AfD und andere intensiv den Aufbau eines eigenen Mediennetzwerks. Der Kampf der Neuen Rechten gegen die „Systemmedien“ wird durch den Aufbau „alternativer“ Medien gestützt, hier können sie ihre Propaganda verbreiten und neue Zielgruppen erreichen.

Wir fordern: Spotify darf kein Teil dieser rechten Medienstrategie werden! Kein Platz für Nazis auf diesen Plattformen! In den letzten Tagen haben sich schon viele Hörerinnen und Hörer bei Spotify beschwert – doch bislang werden sie nur ignoriert oder vertröstet, die Podcasts sind weiterhin im Netz. Dabei zeigen andere Beispiele, dass konsequentes Vorgehen gegen EinProzent durchaus möglich ist: Bei Facebook und Instagram wurden die Accounts des Netzwerks gesperrt, diese Sperrung hatte auch vor Gericht Bestand.
In einem Interview im Berliner Tagesspiegel vom 9.01.2020 hat der Spotify-Sprecher für Deutschland gesagt, dass neonazistische Inhalte innerhalb von 24 Stunden von Spotify gelöscht werden. Dem müssen jetzt Taten folgen!

Wir fordern Michael Krause, Managing Editor von Spotify Europe und Marcel Grobe, Sprecher für Spotify Deutschland auf, die Podcast-Reihe von EinProzent zu entfernen und Neonazis und der Neuen Rechten keine Plattform zu bieten.
Wenn wir das schaffen, können wir der Medienstrategie der Neuen Rechten erheblich schaden. Ein wichtiger Schritt für den Kampf gegen Rechts und für ein solidarisches Miteinander, das in diesen Zeiten gerade ganz besonders wichtig ist.

Donnerstag, 31. August 2017

Das bibliophile Buch: Die Stunde der Spezialisten


Barbara Zoeke
Die Stunde der Spezialisten

Originalausgabe

nummeriert und limitiert. Gestaltung: Lars Henkel. Kunstvolle Collagen für Cover, Bezug, Vor- und Nachsatzpapier. Fadenheftung, Lesebändchen.

Deutschland 1940: Max Koenig ist Professor für Altertumsforschung. Ein vererbtes Nervenleiden reißt ihn aus seinem beruflichen Leben und fort von seiner Familie. Er kommt in die Wittenauer Heilstätten und trifft dort auf Schwester Rosemarie, die versucht zu helfen, wo sie kann. Trotz seiner Hinfälligkeit wird Koenig zum Mittelpunkt einer kleinen Gruppe: dem Studienrat Dr. Carl Hohein, der eine Litanei auf die Farbe »Schwarz« komponiert, der jungen Pianistin Elfie, deren Hände zittern und die »Traumdeutsch« spricht, und schließlich Oscar, einem Jungen mit Trisomie 21.

Der Alltag auf der Station, die mangelhaften Essensrationen und die rassenhygienischen Kommentare der medizinischen »Spezialisten« werden nur durch die gegenseitige Unterstützung und kleine Freuden, wie die Besuche von Frau und Schwägerin, erträglich. Sie hoffen darauf, sich nach dem Krieg im Traumland Italien wiederzufinden. Doch Max Koenig und Oscar werden verlegt und ihren Angehörigen entzogen.

Töten wird sie Dr. Friedel Lerbe, ein Arzt, SS-Mann und fanatischer Verfechter der Rassenhygiene. Als Leiter einer Tötungsanstalt führt er das NS-»Euthanasie«-Programm mit bürokratischer Präzision aus – jedes Detail des Ablaufs wird von ihm kontrolliert. Ein ganzer Stab von »Pflegern«, Sekretärinnen, Technikern und Leichenbrennern steht diesem »Spezialisten« bei seinem Handwerk zur Seite.


Der Gestalter Lars Henkel über "Die Stunde der Spezialisten":

"Bei der Gestaltung der Buchschlaufe stand die Frage im Vordergrund, wie ein so schreckliches Kapitel der deutschen Geschichte sich visualisieren lässt. 
Normalerweise besteht bei der Entwicklung eines Buchcovers der Vorteil darin, dass man sich vom Text inspirieren lassen kann. Die Geschichte bietet zahlreiche Anregungen für Bildideen, so entwickeln sich die Skizzen häufig aus interessanten Motiven im Roman. Davon gab es auch einige in diesem Buch, viele davon wurden im Skizzenbuch durchgespielt, aber keiner dieser Entwürfe schaffte es auf die Buchschlaufe, da sie alle zu negativ konnotiert waren. 
Ein Entwurf war angelehnt an Bildern des Volksliedes "Die Vogelhochzeit", gezeichnet in der Tradition klassischer Kinderbuchillustrationen. Diese Idee basierte auf der Codesprache der Ärzte für die verschiedenen Arbeitsschritte der Tötungsmaschinerie, in der der Begriff "Vogelhochzeit" für die Ausstellung der Totenscheine steht ..."

Mittwoch, 26. April 2017

Am Sonntag in Frankfurt a.M.: Drei (Kurz-)Opern von Ernst Křenek - einst als entartet verboten

(Schwergewicht oder Die Ehre der Nation)
v.l.n.r. Barbara Zechmeister (Evelyne),
Simon Bailey (Adam Ochsenschwanz) und
Michael Porter (Gaston) sowie vorne mit
dem Rücken zum Betrachter
Statisterie der Oper Frankfurt

(c) Barbara Aumüller

DER DIKTATOR
SCHWERGEWICHT ODER DIE EHRE DER NATION
DAS GEHEIME KÖNIGREICH
Drei Opern von Ernst Křenek
Text vom Komponisten
Mit Übertiteln

Musikalische Leitung: Lothar Zagrosek
Regie: David Hermann
Bühnenbild: Jo Schramm
Kostüme: Katharina Tasch
Licht: Olaf Winter
Chor (Das geheime Königreich): Markus Ehmann
Dramaturgie: Mareike Wink


Der Diktator 
Der Diktator: Davide Damiani 
Charlotte, seine Frau: Juanita Lascarro 
Der Offizier: Vincent Wolfsteiner 
Maria, seine Frau: Sara Jakubiak 


Das geheime Königreich
Der König: Davide Damiani
Die Königin: Ambur Braid
Der Narr: Sebastian Geyer
Der Rebell: Peter Marsh
Drei singende Damen: Alison King
                                    Julia Dawson
                                    Judita Nagyová
Erster Revolutionär: Michael McCown
Zweiter Revolutionär: Doğuş Güney
Ein Wächter: Michael Porter


Schwergewicht oder Die Ehre der Nation 
Adam Ochsenschwanz: Simon Bailey 
Evelyne, seine Frau: Barbara Zechmeister 
Gaston, ein Tanzmeister: Michael Porter 
Professor Himmelhuber: Ludwig Mittelhammer 
Anna Maria Himmelhuber, seine Tochter: Nina Tarandek
Journalist / Regierungsrat: Michael McCown

Chor und Statisterie der Oper Frankfurt; Frankfurter Opern- und Museumsorchester




Nach dem überragenden Erfolg seiner Oper Jonny spielt auf (1927) wartete die Musikwelt ungeduldig auf Neues aus der Feder des in Wien geborenen Komponisten Ernst Křenek (1900-1991). Damals konnte noch niemand ahnen, dass rund zehn Jahre später ein auf diese Oper anspielendes Plakat – welches auf rotem Grund einen schwarzen Saxophonspieler mit Judenstern am Revers zeigte, versehen mit der Hetzparole „Entartete Musik“ – zum „anti-kulturellen“ Symbol dieser dunklen Zeit wurde, die den Komponisten schließlich zur Emigration in die USA veranlasste. Doch zuvor gelang es Křenek, mit seinen drei Operneinaktern die in ihn gesetzten Erwartungen sogar noch zu übertreffen. Die Uraufführung am 6. Mai 1928 am Staatstheater Wiesbaden wurde vom Publikum bejubelt. Somit verwundert es nicht, dass die Frankfurter Erstaufführung bereits am 9. Oktober desselben Jahres erfolgte. Křenek vertonte die drei Kurzopern in unterschiedlichen musikalischen Stilen: den Diktator als tragische Oper mit veristischen Anklängen, das Schwergewicht als burleske „Operette“ mit den Modetänzen der Zeit und das Königreich als schillernde Märchenoper à la Schreker.

Der Diktator begehrt Maria. Sie ist zu ihm gekommen, um Rache für ihren Ehemann zu nehmen, der im Krieg sein Augenlicht verloren hat. Daraufhin schießt Charlotte, die eifersüchtige Frau des Herrschers, auf ihren Mann und tötet dabei die vermeintliche Rivalin. – Meisterboxer Adam Ochsenschwanz ist ein wahres Schwergewicht. Als er bemerkt, dass seine Frau Evelyne ihn mit ihrem Dauertanzpartner Gaston betrügt, schlägt er das Inventar seines Ateliers kurz und klein. Bevor Evelyne und Gaston das Weite suchen, setzen sie Adams Trainingsapparat unter Strom… – In einem geheimen Königreich streiten die Frau des resignierten Herrschers und ein Rebell um die Macht. Als das Volk den Palast stürmt, tauscht der König mit dem Narren die Kleider und flieht, wie die Königin und der Aufrührer zuvor, in einen nahegelegenen Zauberwald. iiiiiand good night Dort kommt es zu einer erotischen Begegnung zwischen
Rebell und Herrscherin, woraufhin sie in einen Baum verwandelt wird. An dessen Ästen will sich der entmutigte König erhängen. Gerade noch rechtzeitig wird er durch die Stimme seiner Frau in Schlaf versetzt…

Für die musikalische Leitung kehrt mit Lothar Zagrosek der ehemalige Stuttgarter GMD und Chefdirigent des Konzerthausorchesters Berlin zurück an die Oper Frankfurt, wo er zuletzt 2011/12 den aus Dallapiccolas Volo di notte und Il prigioniero bestehenden Doppelabend dirigierte. Regisseur David Hermann arbeitet seit 2004/05 regelmäßig an der Oper Frankfurt, zuletzt 2010/11 mit Charpentiers Médée im Bockenheimer Depot. Drei weitere Gäste kommen für die Křenek-Einakter wieder an den Main: Davide Damiani (Der Diktator / Der König) war hier zuletzt 2014/15 als Fred Bucksmann in der Uraufführung von Lior Navoks An unserem Fluss im Bockenheimer Depot zu erleben. Simon Bailey (Adam Ochsenschwanz) gehörte bis 2016 zum Ensemble der Oper Frankfurt und gastierte hier jüngst als Leporello in Mozarts Don Giovanni. Die Kanadierin Ambur Braid (Die Königin) gab neulich als Königin der Nacht in Mozarts Die Zauberflöte ihr Deutschland-Debüt an der Oper Frankfurt. Alle weiteren Partien sind fast ausschließlich mit Mitgliedern des Opernstudios und Ensembles der Oper Frankfurt besetzt.

Premiere: Sonntag, 30. April 2017, um 18.00 Uhr im Opernhaus
Weitere Vorstellungen:5., 7., 12., 14., 18., 21. (15.30 Uhr; mit kostenloser Betreuung von Kindern zwischen 3 und 9 Jahren) Mai 2017

Falls nicht anders angegeben, beginnen diese Vorstellungen um 19.30 Uhr
Preise: € 19 bis 165 (12,5% Vorverkaufsgebühr nur im externen Vorverkauf)
Karten sind bei den bekannten Vorverkaufsstellen, im Telefonischen Vorverkauf 069 - 212 49 49 4 oder online unter www.oper-frankfurt.de erhältlich. 

Samstag, 24. Oktober 2015

Was gar nicht geht: Helfer verunglimpfen und bedrohen

Immer häufiger werden Afa-, Not- und Katastrophenhelfer, wenn sie nach getaner Arbeit aus den Flüchtlingsunterkünften kommen, vor allem im Osten von rechten Pöblern fotografiert oder bekommen zu hören: "Wir kriegen euch noch!" 

Tritte oder Würfe an die Fahrzeuge und vieles mehr findet da statt. Diese Drohungen betreffen nicht nur die Helfer, sondern auch ihr familiäres und soziales Umfeld. Hetzer reihen sie insgesamt in die berüchtigten Listen ein, wie sie Nazis, Kommunisten oder andere Gewalt- und Diktaturanhänger pfleg(t)en. Das ist so ungeheuerlich, weil komplett indifferent, dass es nach konsequentem Durchgreifen schreit.

Diese Demotivierungsversuche zeigen nur, wie alte Herrschaftsregeln noch in den Köpfen sind und durch hasserfüllte und vom Unterdrückungsgedanken verseuchte Anhänger eines völlig autoritären Staates immer wieder aufgerufen werden, weil sie auf Machtpositionen in diesem Gefüge aus sind. Nach 70 Jahren einerseits und 25 Jahren andererseits noch! Hier kann man nur hoffen, dass die Hundertschaften von ehrenamtlichen Helfern nicht den Mut verlieren und am Ball bleiben beim Umbau der Flüchtlingssituation zu normalen Verhältnissen.

Donnerstag, 2. Juli 2015

Morgen im Mainzer Staatstheater: KOPFLOHN von Anna Seghers




Delegation deutscher Kulturschaffender auf dem Isaak-Platz in Leningrad 1948.
Von links: Ellen Kellermann, Günther Weisenborn, unbekannt, Bernhard Kellermann,
Wolfgang Harich, Anna SeghersStephan Hermlin, Wolfgang Langhoff,
Michael Tschesno-Hell, Eduard Claudius, M.J. Apletun (SU) und Heinrich Ehmsen.
(Bundesarchiv-Bild_183-R0906-500)_–_retouched_by_Carschten / WIKI COMMONS

KOPFLOHN (UA)
Von Dirk Laucke nach dem Roman von Anna Seghers (*1900 in Mainz, +1983 in Berlin)

Koproduktion mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Uraufführung in Recklinghausen: 4. Juni 2015
Premiere in Mainz: 12. Juni 2015
Aufführungsdauer: ca. 120 Minuten - keine Pause

EInführung am 3.7.: 18:45 Uhr,
Beginn: 19:30 Uhr


Inszenierung: K.D. Schmidt

Bühne: Maren Greinke

Kostüme: Sabine Böing

Musik: Christoph Iacono
Licht: Peter Meier
Dramaturgie: Patricia Nickel-Dönicke

Spätsommer 1932 in Rheinhessen. Der verarmte Bauer Andreas Bastian kommt völlig  bgearbeitet vom Feld, als er unverhofften Besuch von einem entfernten ­Verwandten, Johann Schulz, erhält. Dass der junge kommunistische Aktivist nach einem Mord an einem Polizisten auf der Flucht ist, verheimlicht er der Familie und fügt sich in ihren Alltag ein. Die Zeiten im Dorf sind hart, jeder schielt neidvoll auf den Vorteil seines Nachbarn. Der junge Bauer Kunkel hält es daher für einträglich, eine SA-Gruppe im Dorf zu leiten. Die Antifaschistin Rendel übt Widerstand. Warum Bauer Bastian, der das Unheil kommen sieht, es ihr nicht gleich tut und nur furchtsam auf die junge Generation blickt, davon handelt Seghers Roman, den die Mainzer Autorin 1933 niederschrieb. Ihr gelingt eine packende und präzise Zeichnung der täglichen Mühen und Geisteshaltung der dörflichen Lebensgemeinschaften jener Zeit. Der Dramatiker Dirk Laucke ist bei der Romanbearbeitung von Kopflohn mit Anna Seghers‘ Suche nach dem, was den Menschen entscheiden lässt, sehr behutsam umgegangen.


Begleitprogramm zu Anna Seghers:

Katharina oder die Kunst Arbeit zu finden
Ein Film von Barbara Trottnow, 1995
Nach einem Drehbuch von Anna Seghers
4. Juli, 20:30 Uhr / CinéMayence
Karten nur im Kino




Montag, 8. Juni 2015

Für alle Operntenor-Fans: Digitales Fritz-Wunderlich-Archiv in Kusel für den Local Hero

Im eher unscheinbaren und keine hohen Investionen im Erscheinungsbild erkennbaren Stadt- und Heimatmuseum der ebenfalls unscheinbaren, bald multinational geprägten Asylgeberstadt Kusel gibt es jetzt ein digitales Archiv zum Schaffen des berühmten Tenors Fritz Wunderlich, der in dieser Stadt am 26. September 1930 geboren wurde. 

Allen Mythen zum Trotz hatte er sicher wenig positive Erinnerungen an Kusel. Sein Eltern waren Musiker und kurzzeitig Betreiber eines Wirtshauses. Sein Vater verlor nach Repressalien ortsansässiger Nazis seine Arbeit und verübte Selbstmord, als Fritz Wunderlich 5 Jahre alt war. Seine Mutter ernährte seine Schwester und ihn mit Musikunterricht und -aufführungen. In Kaiserslautern nahm er Gesangsunterricht. 

Sein Erfolg stellte sich in Stuttgart 1955 durch eine Krankheitsvertretung ein, was ihn über Nacht bekannt machte. Ab 1960 war er festes Ensemblemitglied der Bayrischen Staatsoper München, bevor er kurz vor seinem 36. Geburtstag und kurz vor seinem Debut an der Metropolitan Opera in New York nach einem Sturz von einer Treppe im Haus von Heinz Blanc in Derdingen im Kraichgau am 16. September 1966 einen Tag später in Heidelberg verstarb. Wunderlich war mit der Harfenistin Eva Jungnitsch verheiratet und hinterließ drei Kinder. Er wurde im Alten Teil des Waldfriedhofs München begraben. 

Für Fans, Museumsbesucher und Musikwissenschaftler gleichermaßen bietet dieses Archiv die Möglichkeit, an die 350 Stunden Musik aufzurufen, sowohl offizielle Plattenaufnahmen als auch private Mitschnitte. Ferner Tondokumente, wie Interviews und Filmdokumente von und mit Fritz Wunderlich. Die Fritz-Wunderlich-Gesellschaft bezog die Dokumente aus privaten Sammlungen. Im Moment lässt nur ein einziger Arbeitsplatz mit Bildschirm und Kopfhörer auf das Archiv zugreifen. Alle Dateien dienen nur der privaten Information und sind aus Urheberrechtsgründen nicht kopierbar. Wer den Arbeitsplatz benutzen möchte, muss sich daher vorher beim Stadt- und Heimatmuseum anmelden.




Fritz Wunderlich singt "Freunde, das Leben ist lebenswert"des Giuditta von Franz Lehár

Es spielt das SWR Radio Orchestra Kaiserslautern unter der Leitung von Emmerich 
Smola, Dirigent am 9. November 1965.

Montag, 13. Januar 2014

Für 2015 ist ein Zweiteiler im ZDF über das Schicksal der Familie Anne Franks unter dem Hakenkreuz geplant

Anne Frank, 11.6.1929

Die Lebensgeschichte der Familie von Anne Frank wird verfilmt
Familie Frank, Anne 2. von re


Die Geschichte von Anne Frank ist eines der weltweit bekanntesten Dokumente einer Familie über die Zeit des Zweiten Weltkrieges und verdeutlicht die Schrecken der Judenverfolgung wie kaum ein anderes. Die tragische Geschichte von Anne Frank und ihrer Familie als Beispiel für das Schicksal von Hunderttausenden von jüdischen Familien mit Kindern unter nationalsozialistischer Diktatur wird nun von Oliver Berben als Zweiteiler für das ZDF produziert.

Bereits mit dem großen Erfolg "Das Adlon. Eine Familiensaga" bewies Produzent Oliver Berben und das ZDF, wie hochwertige TV-Unterhaltung aussehen kann. Nun setzen sie ihre erfolgreiche Zusammenarbeit fort und verfilmen die Lebensgeschichte der Familie Frank. Geplant ist die Verfilmung mit einem neuen Ansatz; modern erzählt. Martin Moszkowicz, Vorstandsvorsitzender der Constantin Film, wird das Projekt als Executive Producer betreuen. Die Ausstrahlung ist für 2015 im Zweiten Deutschen Fernsehen geplant.


Miepe Gies widersetzte sich dem Verbrechen und
half den Franks. Sie beschreibt dies in ihrer Autobiografie.
Inhalt: Wie wohl kein anderes Schicksal personifiziert Anne Franks Geschichte die Schrecken des Holocaust. Die CF/MOOVIE-Produktion widmet sich der Frage, wer die einzelnen Personen um Anne Frank wirklich waren und wie deren Leben auch vor der Zeit im Versteck aussah. Drehbuchautorin Andrea Stoll gibt der weltberühmten Lebensgeschichte einen neuen Blickwinkel und versucht, die Ereignisse während des Krieges und der Besetzung Hollands durch die Nazis aus Sicht Anne Franks, ihrer Familie und Freunde zu erzählen. Die Geschichte beginnt drei Jahre bevor sich Anne und ihre Familie vor den Nazis in dem Amsterdamer Hinterhaus verstecken müssen, das später zu solch trauriger Berühmtheit gelangen sollte. Aus dem anfangs extrovertierten, lebensfrohen Mädchen wird im Laufe dieser Entwicklung ein zunehmend introvertierter Teenager, der die Bedrängnisse und Zuspitzungen der Ereignisse in Tagebuchnotizen und selbst erdachten Geschichten zu fassen versucht.

Anne Frank wurde 1929 als Kind jüdischer Eltern in Frankfurt am Main geboren. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten flüchtete die Familie 1933 nach Amsterdam. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Niederlande versteckten sich Anne Frank und ihre Familie von 1942 bis 1944 in einem Amsterdamer Hinterhaus. Dort schrieb Anne Frank ihr weltberühmtes Tagebuch. Anne Frank starb 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen im Alter von 15 Jahren.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Ausstellung zu Ehren des Saarbrückers Willi Graf, der mit den Geschwistern Scholl den Nazis getrotzt hat

02.10.-25.10.2013     I     Montag bis Freitag, von 8.00 bis 18.00 Uhr     I     Rathaus St. Johann, Rathausplatz 1, 66104 Saarbrücken


Ausstellung „Weiße Rose“
Am 12. Oktober 2013 jährte sich zum 70. Mal der Tag der Hinrichtung des Saarbrücker Widerstandskämpfers Willi Graf.



Aus diesem Grund zeigen die Landeshauptstadt Saarbrücken und die Weiße Rose Stiftung München e.V. Teile der großen Ausstellung „Weiße Rose“. Aus Platzgründen werden 20 (der über 60) Tafeln der Ausstellung gezeigt, 14 Tafeln zur Widerstandsgruppe Weiße Rose allgemein und 6 Tafeln speziell zu Willi Graf. Die Ausstellung zeigt den Werdegang der Weißen Rose von ihrer Entstehung bis zur Zerschlagung. Im zweiten Teil wird auf das kurze Leben Willi Grafs eingegangen.

Die Schulen im Regionalverband sind zu der Ausstellung eingeladen und können sich unter 0681 / 905-1449 (Herr Theis) zur Besichtigung der Ausstellung anmelden, können aber auch ohne Anmeldung kommen. Die Ausstellung befindet sich in der Flurgalerie im 2. Stock des Rathauses. Der Weg ist im Rathaus ausgeschildert.

Samstag, 8. Juni 2013

Heute Abend im Radio: Rukelis Tanz - Der Box-Champion, der nicht siegen durfte (weil er Sinto war)


08.06.2013   I   18:05 Uhr   I   Feature (Ursendung)

Rukelis Tanz
Der Box-Champion, der nicht siegen durfte
Von Beate Ziegs

Regie: die Autorin
Mit: N. N. 

Ton: Alexander Brennecke 
Produktion: DKultur/NDR 2013
Länge: ca. 54'30



Sein Boxstil war spektakulär: leichtfüßig tänzelnd, "schlau wie ein Fuchs" und "flink wie ein wüster kleiner Teufel". Mit dieser Technik, die in mancher Hinsicht den Stil des frühen Muhammad Ali vorwegnimmt, wird Johann "Rukeli" Trollmann am 9. Juni 1933 Deutscher Meister im Halbschwergewicht. Aber schon wenige Tage darauf wird ihm der Titel aberkannt. Denn Trollmann ist Sinto. Und in der Ideologie der Nazis darf es nicht sein, dass ein "Zigeuner" den "arischen" Boxern überlegen ist. Später muss er im KZ zu Showkämpfen antreten, bis man ihn schließlich 1944 zu Tode prügelt.
Für deutsche Sinti steht sein Schicksal stellvertretend für die 500.000 von den Nazis ermorde­ten Sinti und Roma. Auf der Suche nach Trollmanns Ver­mächtnis tut sich die Autorin in der heutigen Boxszene um.

Beate Ziegs, geboren 1952 in Iserlohn, lebt als Autorin und Regisseurin in Berlin. Zuletzt: "Glückauf in Tsumeb - Vom Graben großer Löcher im losen Boden der Erinnerung" (DKultur 2013).

Samstag, 20. November 2010

Kalenderblatt: 152. Geburtstag von Selma Lagerlöf (für Anke Freifrau von Fredenbeck)


Selma Lagerlöf, die der ganzen Welt als die erste Frau, die den Literaturnobelpreis bekam und Autorin des berühmten Romans "Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen", bekannt ist, war eine beachtliche und tatkräftige Frau. Die Familie hatte tiefbürgerliche Ausprägungen mit christlicher Tradition. Die Großeltern und weitere Vorfahren stammten aus Pfarrerfamilien, der Vater ein Offizier und Besitzer von Gut Mårbacka in der heutigen Gemeinde Sunne, Värmland, Schweden.
Auf diesem Gut wurde die Literatin - mit vollem Namen Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf - am 20. November 1858 geboren und starb nach Verlust des Familienbesitzes, Umweg ihres Lebens über etliche Stationen und Rückerwerb des Gutes im Jahr 1908, am 16. März 1940 auch dort. Sie hatte zwei Brüder, von denen einer nach Amerika emigrierte, drei Schwestern, von denen Anna früh an Tuberkulose starb (Selma L. beschäftigte sich in Nils Holgersson und Der Fuhrmann des Todes mit diesem Thema) und die jüngere Gerda, mit der sie zu Hause von Gouvernanten unterrichtet wurde.

Die weltberühmte Autorin litt ihr ganzes Leben an einem Hüftproblem und war als Kleinkind sogar gelähmt. Ihr wurde zwar durch Physiotherapie geholfen und ihre Gehfähigkeit weitgehend wiederhergestellt, sie blieb aber aber immer gehbehindert und eine Außenseiterin, was sie in ihre Werken einfließen ließ. Sie hätte auch heutzutage keine Anerkennung als Behinderte bekommen, denn die aktuelle Logik betrachtet angeborene Leiden nicht als unterstützenswerte Behinderung. Und ob die Lähmung Anerkennung bei Gutachtern gefunden hätte, weiß kein Mensch.

Gut Mårbacka, Lagerlöf Museum Sunne © FSchremp
Bevor Lagerlöf zu ihrer Berufung als Schriftstellerin gelangte, besuchte sie ein Mädchengymnasium, ließ sich als Volksschullehrerin ausbilden und war von 1885 bis 1895 als Volksschullehrerin beschäftigt. Sie hoffte mit ihrem ersten Roman Gösta Berling sehr bekannt zu werden und so viel Geld zu verdienen, dass  sie sich nur noch der Schriftstellerei und dem Landleben widmen könnte, was sich allerdings erst zwei Jahre nach Erscheinen des Buches mit einer positiven Besprechung des Romanes durch den berühmten Kritiker Georg Brandes im Jahr 1893 abzeichnete. Danach ging es stetig aufwärts. Sie wurde bekannt und bekannter, konnte ihr elterliches Gut zurückkaufen und dessen Größe und Wirtschaftkraft vermehren. Auf diesem Weg halfen ihr die ebenfalls zu wichtiger schwedischer Literatur werdenden Bücher Die Wunder des Antichrist und Jerusalem, schließlich 1906 "Nils Holgersson".

Selma Lagerlöf war eine Verfechterin des Gleichberechtigungsgedankens, kritisierte das fehlende Wahlrecht für Frauen und erhielt neben dem Nobelpreis zahlreiche Ehrungen wie die Ehrendoktorwürde der Universitäten Uppsala und später Greifswald. 1914 wurde Selma Lagerlöf zum ersten weiblichen Mitglied der Schwedischen Akademie gewählt. Sie engagierte sich 1933 für die Rettung jüdischer Flüchtlinge, verhalf Nelly Sachs zum Entkommen vor den Nazikrallen und spendete ihre Nobelpreismedaille zur Unterstützung der notleidenden Finnen im Winterkrieg 1939. Da sie nicht verheiratet war und keine Kinder gebar, vermittelten die Leute ihr einen "echten" kleinen Nils Holgersson, der tatsächlich auch so hieß und den sie  adoptierte und an Sohnes Statt aufzog.

Ihr Stil war einfach, fast folkloristisch und mythologisch. Neben Romanen schrieb sie auch Kurzgeschichten, Erzählungen und Legenden, ihre Theaterstücke waren Misserfolge.

  • Selma Lagerlöf
  • Nils Holgerssons wunderbare Reise

    Würzburg 2002, 88 Seiten, Hardcover
  • 10,95 €, Arena Verlag
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: 4 - 5 Jahre
Die Geschichte von Nils Holgersson: Als der kleine Nils einem Wichtelmännchen einen bösen Streich spielte, wurde er selbst in ein kleines Wichtelmännchen verwandelt. Den zahmen Gänserich Martin konnte er, weil er so klein geworden war, nun nicht mehr davon abhalten, sich den Wildgänsen anzuschließen. Auf dem Rücken von Martin hebt sich Nils in die Lüfte über Skandinavien, Ostsee, Pommern ... und wollte nicht mehr zurück, weil es so schön war. Seine Verwandlung wird erst später zurückgenommen, als er mit Martin heimkehrt und diesen vor der Tötung bewahrt.

"Im ersten Augenblick wußte der Junge gar nicht, was er mit seinem Fang tun solle. Er schwang nur immer das Netz sorglich hin und her, damit das Wichtelmännchen keine Zeit bekomme, herauszuklettern.
Jetzt begann das Wichtelmännchen zu sprechen; es bat und flehte um seine Freiheit und sagte, es habe der Familie seit vielen Jahren viel Gutes getan und wäre wirklich einer besseren Behandlung wert. Wenn der Junge es loslasse, wolle es ihm einen alten Speziestaler geben sowie eine silberne Kette und eine Goldmünze, die so groß sei wie der Deckel an der silbernen Uhr seines Vaters.
Dem Jungen kam zwar das Lösegeld nicht gerade groß vor; aber seit er das Wichtelmännchen in seiner Gewalt hatte, fürchtete er sich gewissermaßen vor ihm. Er fühlte, daß er sich in etwas eingelassen hatte, was fremd und unheimlich war und nicht in diese Welt gehörte; deshalb war er nur sehr froh, es loszuwerden.
Er ging also schnell auf das Angebot ein und hielt das Netz still, damit das Wichtelmännchen herauskriechen könne. Als dieses aber beinahe aus dem Netz heraus war, fiel dem Jungen ein, daß er sich größere Dinge und alles mögliche Gute hätte ausbedingen können. Jedenfalls hätte er die Bedingung stellen können, daß ihm das Wichtelmännchen die Predigt in den Kopf zaubern müsse. „Wie dumm von mir, daß ich es freiließ,“ dachte er und begann das Netz aufs neue hin und her zu schwingen, damit das Wichtelmännchen wieder hineinpurzle.
Aber kaum hatte der Junge das getan, da bekam er eine fürchterliche Ohrfeige, daß ihm war, als zerspringe ihm der Kopf in tausend Stücke. Er flog zuerst an die eine Wand und dann an die andre, schließlich fiel er auf den Boden und blieb da bewußtlos liegen.
Als er wieder erwachte, war er noch in der Hütte. Von dem Wichtelmännchen war keine Spur mehr zu sehen. Der Truhendeckel war geschlossen, und das Fliegennetz hing an seinem gewöhnlichen Platz am Fenster. Wenn dem Jungen nicht die rechte Wange von der Ohrfeige so sehr gebrannt hätte, hätte er sich versucht gefühlt, alles für einen Traum zu halten. „Was aber auch geschehen sein mag, jedenfalls werden Vater und Mutter behaupten, daß es nichts gewesen sei als ein Traum,“ dachte er. „Sie werden mir wegen des Wichtelmännchens sicher nichts von der Predigt abziehen, und es wird am besten sein, wenn ich mich jetzt eilig dahinter mache.“
Aber als er an den Tisch ging, kam ihm etwas sehr verwunderlich vor. Das Zimmer konnte doch unmöglich größer geworden sein. Woher kam es denn aber, daß er jetzt so viel mehr Schritte machen mußte als sonst, wenn er an den Tisch ging? Und was war denn mit dem Stuhl? Er sah zwar nicht gerade aus, als sei er größer als vorher, aber der Junge mußte zuerst auf die Leiste zwischen den Stuhlbeinen steigen und dann vollends auf den Sitz hinaufklettern. Und gerade so war es auch mit dem Tisch. Er konnte nicht auf die Tischplatte hinaufsehen, sondern mußte auf die Armlehne des Stuhles steigen.
„Was ist denn aber das?“ sagte der Junge. „Ich glaube wahrhaftig, das Wichtelmännchen hat den Lehnstuhl und den Tisch und die ganze Stube verhext.“
Historische Illustration zu Nils Holgersson
Die Postille lag auf dem Tische, und anscheinend war sie unverändert. Aber etwas Verkehrtes mußte doch daran sein, denn er konnte kein Wort lesen, sondern mußte erst auf das Buch selbst hinaufsteigen.
Er las ein paar Zeilen, dann aber sah er zufällig auf. Dabei fiel sein Blick in den Spiegel, und da rief er ganz laut: „Ei sieh, da ist ja noch einer!“
Denn im Spiegel sah er ganz deutlich einen winzig kleinen Knirps in einer Zipfelmütze und Lederhosen.
„Der ist genau so angezogen wie ich,“ sagte der Junge und schlug vor Verwunderung die Hände zusammen. Aber da sah er, daß der Kleine im Spiegel dasselbe tat.
Da begann er sich an den Haaren zu ziehen, sich in den Arm zu kneifen und sich im Kreise zu drehen, und augenblicklich tat der Kleine im Spiegel dasselbe.
Jetzt lief der Junge ein paarmal um den Spiegel herum, um zu sehen, ob vielleicht so ein kleiner Kerl hinter dem Spiegel verborgen sei, aber er fand niemand dahinter, und da begann er vor Schrecken am ganzen Leibe zu zittern. Denn jetzt begriff er, daß das Wichtelmännchen ihn selbst verzaubert hatte, und daß er selbst der kleine Knirps war, dessen Bild er im Spiegel sah."
(Selma Lagerlöf: Wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen. Ein Kinderbuch.
Einzige berechtigte Übersetzung aus dem Schwedischen von Pauline Klaiber, München 1920)




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Dienstag, 28. September 2010

Nachlese zum 90. Geburtstag in 2010: Marcel Reich-Ranicki - Mein Leben und Samuel Kassow - Ringelblums Vermächtnis

Marcel Reich-Ranicki
Mein Leben
München 2003/2009, 566 S.,
Paperback, 9,90 €, dtv

Warum noch mehr über Marcel Reich-Ranicki schreiben, es ist schon so viel veröffentlicht worden? Weil es sich immer rentieren wird, ein Gewinn sein wird, sich mit ihm und seiner Geschichte, seiner Biografie zu beschäftigen. Wir erleben auf Hunderten von Seiten ein Leben dicht gefüllt mit Literatur, Kultur Deutschlands, Polens und Englands, gewissermaßen der ganzen europäischen Staaten, wir müssen uns erneut mit der Geschichte Nazideutschlands auseinandersetzen, erleben alles aus der sehr genauen Sicht eines prominenten Betroffenen, der uns hier klar macht, wie barbarisch dieser Feldzug gegen das Judentum und die scheinbaren Feinde im Osten war. Gerade in diesen Septembertagen fand das Überrollen und Bombardieren des kaum gerüsteten und unterlegenen Polens statt und begann in der Folge die menschenverachtende Installation der Vernichtungsmaschinerie.
Mit einer erschreckenden Klarheit durch die Brille des beliebtesten Kritikerentertainers Deutschlands gesehen und wiedererzählt im persönlichen Gespräch, so begegnet uns dieses spannende Buch, das man nicht aus der Hand legen will, bevor es zu Ende ist. Das "Literarische Quartett", zuvor das "Literarische Kaffeehaus" die geistreichen Dialoge der Rezensenten und Feuilletonisten mit Marcel R.-R. und dann dieses chaotische und bedrohliche Leben bis 1959, mehrfach vom Tod, der Verhaftung bedroht, sogar von den Nachkriegskommunisten ins Gefängnis verfrachtet, erlebte der Autor die Diktaturen der Rechtsextremen und der Linksextremen als ein und dieselbe bedrohliche Angelegenheit, wobei der Vernichtungswille der Nazis über allem residierte.
Seine Biographie, die sich bis jetzt 1,2 Mio Mal verkauft hat, wurde 2008 auch als Film gedreht, allerdings nur bis zu seinem 38. Lebensjahr und mit dem Kunstgriff, dass Reich-Ranicki sein Leben in einem Verhör durch den polnischen Geheimdienst erzählt. Er war zwar in Verhören, nie hat er dort jedoch so ausführlich und prosaisch über sein Leben berichtet. Das ist aber auch völlig sekundär, der Film war gut und ansprechend, das Buch ist es auch.
Marcel Reich-Ranicki wurde 1920 im polnischen Wloclawek geboren, sein Ursprungsname ist nur Reich. Den Namen Ranicki musste er später nach dem Krieg in London als Diplomat in polnischen Diensten dazunehmen, um wie in seinem ganzen Leben, seine Identität, dieses Mal als Deutscher, zu verschleiern. Mit dieser als Kainsmal empfundenen Herkunft als Jude hängt auch ein Leidensweg zusammen, der in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts begann und sich erst in der Nachkriegszeit auflöste. Als 9-Jähriger kam er nach Berlin, der Hauptstadt des "Landes der Kultur", wie seine Lehrerin in Polen sagte, und musste dort als ein tolerierter Außenseiter im Schulbetrieb leben. Dennoch, trotz all der deutlicher werdenden Bedrohung konnte er 1938 noch sein Abitur machen, bevor er in Abschiebehaft genommen und schließlich nach Warschau deportiert wurde. Hier lebte er bis 1943, zunächst noch frei, dann ab September 1939 auf der Flucht vor den Nazitruppen und schließlich interniert im Warschauer Ghetto. Wie durch eine Fügung musste er später nicht wie seine Eltern auf die Todeseite bei der Separation durch SS-Offiziere treten, sondern musste und konnte von der Lebensseite aus beobachten, wie seine Eltern vor der Reitpeitsche fliehend in ihre Todesbestimmung laufen mussten. Sie wurden in Treblinka vergast. Dieser so ganz krass entwürdigende und entmenschlichte Abschied hat er sein Leben lang nicht vergessen.
Im Ghetto arbeitete er als Übersetzer im Ältestenrat/Judenrat, den die Nazis zur Selbstverwaltung einrichteten. Er erlebte alles aus unmittelbarer Nähe mit bis zum Abtransport Zehntausender, Hunderttausender von Menschen, dem Selbstmord von Adam Czerniaków, der als eingesetzter Vorsitzender der Warschauer jüdischen Gemeinde (zu diesem Zeitpunkt der zweitgrößten auf der Welt nach New York) die Auflösung des Warschauer Ghettos durch die SS unterschreiben musste. Marcel R.-R. konnte sich beim Sammeln für den Abtransport in einer gewagten Flucht mit seiner heutigen Frau Tosia retten. Erst im Juli 1944 erhoben sich Zehntausende Polen zum letzten Widerstand gegen die Deutschen, 160.000 gingen unter, ohne dass die Russen  eingriffen. Versteckt bei einem polnischen Schriftsetzer überlebten die Reich-Ranickis, er hatte Tosia als 20-Jähriger bereits im Ghetto zur Vermeidung eines Abtransportes spontan geheiratet. Ende 1944 trat er beim polnischen Geheimdienst als Hauptmann ein und war später für Polens Nachrichtendienst in London, wo er auch Vize-Konsul wurde. Nach seinem Rückruf nach einigen Jahren kam die Absetzung durch die Kommunisten, Gefängnis, Ausgeschlossener ein zweites Mal, so aus dem Schriftstellerverband und zeitweise von Arbeit. Erst ein Jahr vor seiner Flucht aus Polen wurde es besser und endgültig danach. Er blieb 1958 einfach in Deutschland, kehrte nicht zurück und baute sich hier mit Frau und Kind ein neues Leben auf, ein sehr gutes.
All diese ganzen Strapazen, den Dauerstress in den Diktaturen, den Überlebenskampf im Ghetto, das Stigmatisiertsein als Jude verarbeitete er mit einer ungeheuren Liebe und einem starken Interesse an deutscher Literatur und Kultur, obwohl er jahrelang das Gegenteil, den Ausnahmezustand erleben musste. Aber all die fiktive Realität ermöglichte ihm, über den Dingen zu stehen, und so ist seine Biografie gleichzeitig ein Dokument der Literatur- und Geistesgeschichte.
Wir lernen das Berlin der 30er-Jahre kennen mit Gustav Gründgens, dem Spielverbot im Theater und dem Erfindungsreichtum der Theatermacher, dennoch Kritik zu üben. Die Wichtigkeit von Kästner in dieser Zeit und anderer Literatur für Marcel R.-R, Franz Werfel zum Beispiel, die Versuche Kulturleben im Warschauer Ghetto durch ein Orchester und Konzerte aufrecht zu erhalten, die bizarr-nekrophile Verwendung der Wagnerschen Musik im Zusammenhang mit Todesurteilen und -vollstreckungen bei den Nazis. Wie lebenserhaltend es sein kann, durch Erzählungen über Literatur andere zu unterhalten, so Bolek, der die Reichs versteckte. Und schließlich die ganze Nachkriegsliteraturgeschichte von Brecht, Seghers, Heinrich Böll, Günter Grass über die Gruppe 47, Hans Werner Richter und seine schulisch-autoritäre Führung, bis hin zu Walter Jens, Elias Canetti, Theodor W. Adorno, Thomas Bernhard, Max Frisch und Martin Walser.

Marcel Reich-Ranicki, Professor, Dr. h. c. mult., geboren 1920 in Wloclawek an der Weichsel, ist in Berlin aufgewachsen. Er war von 1960 bis 1973 ständiger Literaturkritiker der Wochenzeitung ›Die Zeit‹ und leitete von 1973 bis 1988 in der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹ die Redaktion für Literatur und literarisches Leben. 1968/69 lehrte er an amerikanischen Universitäten, 1971 bis 1975 war er Gastprofessor für Neue Deutsche Literatur an den Universitäten Stockholm und Uppsala, seit 1974 Honorarprofessor in Tübingen, 1991/92 Heinrich Heine-Gastprofessur an der Universität Düsseldorf. Von 1988 bis 2001 leitete er das ›Literarische Quartett‹. Ehrendoktor der Universitäten in Uppsala, Augsburg, Bamberg, Düsseldorf, Utrecht und München. Goethepreis des Jahres 2002  





Samuel Kassow
Ringelblums Vermächtnis: Das geheime Archiv des Warschauer Ghettos
Hamburg 2010, 752 Seiten, Hardcover,
39,95 €, Rowohlt



Samuel Kassow dokumentiert darin erstmalig das Archiv des Warschauer Ghettos, das der Historiker Emanuel Ringelblum aufgebaut hat. Marcel Reich-Ranicki kannte Ringelblum, hatte ihn kurz kennen gelernt und wusste um die Verstecke der Aufzeichnungen.
Kassow stellt ausführlich den Hintergrund des Ghettoarchivs dar, beschreibt die Lebensgeschichte Ringelblums und die verschiedenen jüdischen politischen Gruppierungen. Die Darstellung der Arbeit im Untergrundarchiv ist eng verquickt mit der Ghettogeschichte und ermöglicht einen denkbar breiten Einblick in das Schicksal der Verfolgten in ganz Polen.

Freitag, 16. April 2010

Opfer der Nazis: Wilhelm Werner

Menschenschicksale im Nationalsozialismus: Zwangsinhaftierte, per Gutachten und Diagnose zum Missbrauch und Versuch freigegebene Opfer im medizinischen Bereich.
Zwangssterilisationen mit späterer Ermordung als weitere Zeichen unmenschlicher Kultur.



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