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Dienstag, 30. August 2016

Los Angeles: Ruben - der dienstälteste Fahrstuhlführer der Stadt




Ruben's Elevator

Seventy-five year old Ruben Pardo is the oldest elevator manual operator in Los Angeles. For six days a week over the past 40 years, he has helped the patrons of the Art Deco marvel at 5514 Wilshire Blvd “up and down” while enlightening them with positive musings on the simple joys of life. Congrats on 40 years Ruben!

Freitag, 21. September 2012

DER GEDANKENSPIELER (7). Ein Fortsetzungsroman von Marco Meissner

Mojave Wüste


Sehr lang hallten die Worte des alten Mannes durch Alexanders Kopf. Welch groteskes Bild er doch abgegeben hatte. Sein Gesicht wies jegliche Abnutzungserscheinungen auf, die nur ein wahrlich durchlebtes Leben aufzubringen im Stande war. Alexander erinnerte sich noch gut an sein Shirt im Batiklook, welches in sämtlichen Farben der Neonfarbpalette in die Augen der Betrachter zu stechen pflegte. Sein langes, graues Haar wehte im kühlen Abendwind wie die lang gezogenen, spitzen Blätter der Palmen und bildete einen milden Kontrast zur Farbenfreude des T-Shirts. Doch seine Worte legten sich wie Balsam auf Alexanders geschundene Seele. Lange hatten sie dort gesessen und aufs Meer gestarrt. Dort in dieser kleinen Strandbar am anderen Ende der Welt. Ein dumpfes, schmerzhaftes Pochen erinnerte Alexander an all die Pincher Bier, die sie im Laufe des Abends kommen ließen und leerten. Sein Name war Harry. Doch hier in Venice nannten ihn alle einfach nur Jim. Slim Jim. Und dieser Name war mehr als treffend. Wieder hatte er dieses traurig, gespenstige Bild im Kopf. Er sah wie sich die dicken Adern auf Jims Armen abmalten, hörte förmlich wie der Wind durch seine Rippen blies. Alexander hatte ihn quasi angefleht etwas zu essen. Doch all seine Aufforderungen hatte Jim stets bestimmt abgelehnt. Seit dem Tod seiner Frau hatte es ihn in diesen Teil der Welt verschlagen. Mehr schlecht als Recht hielt er sich mit dem Malen von Bildern über Wasser, welche er auf der Wiese an der Promenade verkaufte. Es waren großartige Bilder. Jim hatte eine Gabe. Mit feinem Strich legte er das Antlitz schöner Frauen im Abglanz seines Kohlestiftes auf die Leinwand. Seine Finger glitten in sanften Linien über den Stoff der Leinwand und malten mit mildem Druck die Silhouette dieser anbetungswürdigen Frau, wie es Alexander noch nie in seinem Leben erblickt hatte. Doch in ihren Augen lag nichts als die Starre des Todes, deren Blicken Alexander nicht standhalten konnte. Gerne hätte er Jim ein paar Bilder abgekauft. Doch es reichte ein Blick in die Augen der Schönheiten um Alexanders Herz in tiefschwarze Nacht zu stürzen. Jims zweite Gabe war das Zuhören. Lange hatte er Alexanders Worten still gelauscht, ohne auch nur ein Wort zu dem Gespräch beizutragen. Immer wieder gab er durch ein leichtes Anwinkeln des Kopfes zu verstehen, dass er dem Gespräch noch aufmerksam zuhörte. Und mit jeder Minute, in der sich der Abend weiter in die Nacht schob, mehrten sich die Biere, die sie tranken, und mit jedem Bier lockerte sich Alexanders Zunge zusehends. Slim Jim musste eine gewaltige Menge Sitzfleisch aufbringen, um dem jungen Mann, der sich nun so vollkommen in seinen Gedanken verloren hatte, folgen zu können. Hier hatte Alexander sein Ventil gefunden. Er legte Jim sein Leben dar, wie ein großes Buch. Eine Enzyklopädie seines Lebens. An den wichtigsten Stellen markiert und unterstrichen. Erzählte ihm von Julia, der Frau, die er über alles geliebt hatte. Erzählte, wie sie ihn verlassen und gegen einen anderen ausgetauscht hatte. Nie wieder würde er die Fehler begehen, die er begangen hatte.
„Was mit Tränen beginnt endet auch in selbigen!“, schoss es ihm wie ein Pfeil durch den Kopf. Nie wieder würde dies geschehen.
Alexander fasste sich an den Kopf. Was war nur geschehen gestern Abend? Wieso nur hatte er sich von diesem fremden Mann so in die Karten schauen lassen?
„Keep the good feelings in your heart and bury the bad as deep as you can!”, hatte er ihm geraten. Alexander hatte nicht fassen können, wie viel Kraft ihm diese einfachen Worte schenkten.
„Es ist nicht wichtig, wie viele schlechte Erfahrungen du im Leben machst, Kleiner!“, hatte er gesagt und ihn dabei so scharf und wissend angesehen, dass es Alexander vorkam, als würde sich sein Blick wie eine riesige Nähnadel in sein Herz bohren.
„Wichtig ist einzig und allein, dass du dir die Chance erhältst Gutes zu erleben. Denn erst, wenn diese Möglichkeit erlischt, ist deine Seele dem Tode geweiht.“
Alexander erinnerte sich noch sehr gut daran, wie oft er seine Seele zum Friedhof getragen hatte. Doch sie war immer wieder auferstanden.
„You´re so young! Geh raus und greif dir das Leben!“
Langsam verschwamm Jims Bild in Alexanders Kopf. Doch die Wirkung seiner Worte begleitete ihn bis weit ins Landesinnere hinein.
Chevy Impala
Er hatte Los Angeles lange hinter sich gelassen und befand sich nun in den unendlichen Weiten der Mojave-Wüste. Staub lag in der Luft und nur der Klang des Radios durchbrach die scheinbar unendliche Stille. Um ihn herum nichts als die grenzenlose Ödnis. Wohin er auch sah, überall erstreckte sich die mit niedrigen Sträuchern bewachsene und von Steinen durchzogene Wildnis bis hin zum Horizont. Es schienen Stunden zu vergehen, bis ihm wieder einmal ein anderes Auto ins Blickfeld geriet. Ein Zeichen von Leben in dieser unbelebten Landschaft. Die Sonne knallte auf das schwarze Dach seines Chevys und zum ersten Mal verspürte Alexander, was es bedeutete allein zu sein.

(c) Marco Meissner

Sonntag, 5. August 2012

DER GEDANKENSPIELER (06). Ein Fortsetzungsroman von Marco Meissner

Im Licht der untergehenden Sonne rannten kleine Vögel dem wegfließenden Wasser hinterher. Alexander saß im Sand und ließ seinen Blick über die Wogen des Meeres gleiten. Feiner Sand rann durch seine Finger. Sein Atem angepasst an das ewige Auf und Ab des Ozeans. Er genoss die Stille. Konnte den Blick kaum abwenden von den weiß gekrönten Wellen, die sich zärtlich an den Strand schoben. Weit war er nicht gekommen. Und doch fühlte er sich, als hätte er sein Ziel schön lang erreicht. Denn wenn es einen Ort in dieser Stadt gab, mit dem sein Innerstes bereitwillig eine Verbindung einging, dann hatte er ihn hier gefunden. Venice Beach.
Es gab noch so wahnsinnig viel, was er gerne von L.A. gesehen hätte. Doch er zweifelte nicht einen einzigen Augenblick daran, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, indem er den Tag heute hier verbracht hatte. Es ging eine geradezu magische Energie von diesem Fleckchen Erde aus, welche Alexander bis weit in die Nacht gefangen halten sollte. Nun saß er in einem kleinen Promenadenrestaurant und verlor sich im Blick auf die hinter Palmen im Meer versinkende Sonne. Die Tische waren gedeckt mit rot-weiß karierten Einwegdecken und auf jedem der fast ausschließlich besetzten Tische standen Senf, Ketchup, Salz und Pfeffer zum Verfeinern der dargebotenen einheimischen Speisen parat. Immer wieder schloss er die Augen und versuchte die Eindrücke des heutigen Tages zu verarbeiten.
Unmöglich.
Noch einmal schmeckte er die salzige Luft, die über der Bucht lag. Der Strand war fast menschenleer gewesen. Wieder hörte er, wie die Wellen an den Strand donnerten. Sah wie die Surfer sich in die Gischt warfen und auf dem Rücken der tosenden Wassermassen ihre Bahnen zogen. Er spürte wie sich seine Armhärchen bei dem Gedanken an das bitterkalte Pazifikwasser aufstellten. Dachte zurück an die kleine Delfinschule, die keine 10 Meter vor ihm durch Wasser geglitten war. Wieder erfasste in dieser wohlige Schauer, den er schon heute Mittag verspürt hatte, als die anderen Strandbesucher jedes Auftauchen einer Delfinfinne mit einem so unglaublich ehrlichem Begeisterungsruf quittiert hatten.
„Wie einfach doch die Welt manchmal sein kann!“, dachte er und nahm einen großen Schluck Rootbeer.
Sein Blick glitt über die Promenade. Blieb mal hier hängen und mal dort. Durch die ungemeine Anzahl von Eindrücken glich diese Sinnesaufnahme einem Musikvideo der Red Hot Chilli Peppers.
Er war alles andere als ein Alternativer. Für ihn stand immer wieder die Frage im Vordergrund, was andere von seinem Handeln denken würden. Doch hier fühlte er sich frei. Den ganzen Tag hatte er darüber nachgedacht, was ihn nur so an diesen Ort fesselte und er hatte nur eine Antwort erhalten. Es war eben dieses Gefühl der Freiheit, welches er immer wieder verspürte, wenn sie in seiner Nähe war. Auf eine kaum auszusprechende Art und Weise glich sie dieser Szenerie bis ins kleinste Detail. Wie wunderbar unkonventionell sie doch war. Für sie gab es keine Normen, an die man sich zu halten hatte. Und doch lag kein bisschen Rebellion in ihrem Handeln. Für sie zählte einzig und allein, ob sie ein gutes Gefühl bei dem hatte, was sie tat. Er bewunderte so viel an ihr.
„Wahrscheinlich ist das Lachen die größte Erfindung Gottes“, zitierte er innerlich Ephraim Kishon. Und wenn er damit Recht hatte, war sie Gottes größtes Geschenk an die Menschheit. Auch jetzt, wenn er nur daran dachte, verzogen sich seine Mundwinkel in die oberen Partien seines Gesichts. Er betete sie an für dieses Lachen. Es war nicht damenhaft, ähnelte in keinster Weise einem Filmlächeln à la Julia Roberts oder Audrey Hepburn. Und doch lag in seiner Ehrlichkeit so viel Ansteckungsgefahr, dass es Alexander immer wieder schwierig fiel dem standzuhalten.
Er bewunderte sie für ihre Art sich zu kleiden, eine Art, wie er es sonst nirgends gesehen hatte. So unvergleichbar schön in ihrer Eigenart. Es lag etwas Konservatives in dieser Art, und doch ging es so weit an eingestampften Fashiontrends und eingeprügeltem Markentextilchic vorbei. Er dachte zurück an den Tag, an dem die anderen Mitarbeiter sie für ihre extravagante Kopfbedeckung aufzogen. Es hatte ein einziger Blick gereicht, um ihr zu verstehen zu geben, dass er sie genauso wollte, wie sie sich gab.
„Du bist was ganz Besonderes“, hatte er zu ihr sagen wollen, „und das solltest du auch ruhig jedem zeigen.“
Doch jede einzelne Silbe wäre sinnlos gewesen an diesem Abend. Jedes weitere Wort hätte einen Moment zerstört, in dem Magie einen Augenblick formte, in dem Zeit nur noch ein relativer Begriff war und in dem ein einziger Augenaufschlag einer Ewigkeit glich.
Je länger er an sie dachte, umso mehr Wolken schoben sich vor den Horizont seiner Gedankenwelt. Er spürte wie die Dunkelheit ihn ergriff und ihn zu verschlucken drohte.
Ein beleibter Kerl stellte gerade sein Klavier vor das kleine Restaurant mit seinem buntgemischten Publikum. Sein fettiges Haar reichte ihm weit über die Schultern hinaus und man sah ihm an, dass er kein leichtes Leben hinter sich gebracht hatte. Beinahe grotesk wirkte das Schauspiel. Dieser Kerl hatte so wenig mit Klaviermusik zu tun wie Juppi Hesters mit den Bundesjugendspielen. Doch als er zu spielen begann, war es um Alexander geschehen. Flüchtige Melodien wehten durch den erfrischenden Abendwind. Zogen vorbei an all den Palmen, den Bodybuildern in ihrem Strandkäfig, vorbei an den flanierenden Touristen auf der Promenade, hielten kurz darauf Einzug in Alexanders Gehör und trafen ihn an der Stelle, an der er im Moment am meisten verwundbar war.
Sie sollte bei ihm sein. Genau in diesem Moment. Stundenlang würde er ihr einfach nur in ihre glasklaren Augen starren und die Welt umher vergessen. Getragen von dem Gefühl mit ihr alle Zeitalter der Welt wegschweigen zu können. Doch er war hier und sie unüberbrückbar weit entfernt. Alexander ließ den Blick auf den Tisch fallen. Vollkommen apathisch starrte er hinaus in die immer weiter voranziehende Nacht.
„Is it about a girl?“, waren die Worte, die ihn aus dem Zentrum seiner Melancholie zogen.
„Isn´t it always about a girl?“, antwortete er, vollkommen überrascht davon, wie klar dieses Bild seiner Worte sich in seinem Kopf widerspiegelte.

© Marco Meissner, Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com

Donnerstag, 12. Juli 2012

DER GEDANKENSPIELER (05). Ein Fortsetzungsroman von Marco Meissner


Der Gedankenspieler (05)

Er erwachte früh aus einem unruhigen, anstrengenden Schlaf. Die ganze Nacht über hatte er sich durchs Bett gewälzt. Erfüllt von einer seltsamen inneren Unruhe. Er rappelte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dies war ein neuer Tag, den er in vollen Zügen genießen wollte. Doch ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass der Tag noch nicht wirklich begonnen hatte. Der Sunset Boulevard lag still vor seinem Auge. Grau zeichneten sich die Konturen der Berge, Bäume und Häuser von dem noch schwarzen Horizont ab. Noch immer wohnte diese erschlagende Schwere in ihm. Er fühlte sich, als hätte man ihn auf kalten Entzug gesetzt. Sie war das größte Paradoxon seines Lebens. Sie war seine persönliche Droge. Mit allen Nebenwirkungen. War sie bei ihm war er der glücklichste Mensch der Welt. Doch kaum saß sie in ihrem Auto und fuhr heraus aus seinem Leben wälzte er sich im Schlamm seiner dunkelsten Gefühle. War sie bei ihm, fühlte er sich seltsam unsicher. Unfähig auch nur die geringste eigene Entscheidung zu treffen. Doch gleichzeitig hatte er dieses Gefühl über den Dingen zu stehen. Sie verlieh ihm eine Kraft, die er vor ihr noch nie verspürt hatte. Er vermisste sie mit jeder Faser seines von Müdigkeit gezeichneten Körpers und er konnte nichts tun als sich dieser Sehnsucht zu ergeben.
Entschlossen hüllte er seinen Körper in ein Laufshirt und eine Trainingshose. Schnürte die weißgrauen Laufschuhe fest und trat aus der Tür. Die Welt lag da im Frieden eines neu aufstrebenden Morgens.
Diesmal lief er allein. Stumm und sprachlos. Und doch trug er sie über jeden Yard, über jeden Inch dieser nicht metrischen Welt. Er trug sie vorbei an all den Graffitis, die den Straßenrand säumten. Bog mit ihr um Ecken und erklomm mit ihr die höchsten Berge. Die Sonne ging auf und tauchte die Welt in reines, unschuldiges Gold. Er spürte die Wärme auf seiner Haut und bemerkte, wie sie in seine Knochen und Glieder kroch. Auf einmal war er erfüllt von unbändiger Stärke. Vorbei an Holzhäusern und Vorgärten mit knochigem Gras schraubte sich sein Weg immer weiter hoch in die osthollywoodianischen Hügel. Die Sonne färbte die Umgebung in orangefarbenes Glück. Sein Atem ging ruhig und auch seine Füße und Muskeln taten ihren Dienst ohne auch nur den Hauch von Erschöpfung anzudeuten. Da war es wieder. Er spürte dieses alte Gefühl.
„Du bist nirgendwo auf dieser Welt so frei wie auf deinen eigenen zwei Füßen.“,
hatte er einmal geschrieben. Doch es war lang her, dass er dies auch wirklich gespürt hatte.
Seine Füße klatschten auf die Betonplatten, als er den Berg wieder hinunter rannte und sich dem Silver Lake, dem großen Wasserreservoir, näherte. Sein Weg führte ihn durch einen kleinen Park, in dem emsige, kleine Rasensprenger die Wege mit Wasser benetzten. Mittlerweile schien halb L.A. auf den Beinen zu sein. Immer wieder wurde er von muskulösen, jungen Läufern in ihren Universitätsshirts überholt. Doch auch sein Gang verlangsamte sich nicht. Mittlerweile war er schon eineinhalb Stunden unterwegs. Langsam begann er an seiner neu gewonnenen Stärke zu zweifeln.

„And on that day, without any particular reason, I startet a little run. – Und an diesem Tag, ohne einen besonderen Grund, beschloss ich einfach loszulaufen.”
Und es war dieser Moment im erwachenden L.A. County, dessen goldgelbe Anhöhen ein unvergessliches Panorama formten, an dem er endlich den Sinn in der Sinnlosigkeit dieses alten Forest Gump-Zitates erkannte.
Sein Atem rasselte schwer aus seiner Brust, als die eisige Kälte der Dusche ihn traf. Die Wasserstrahlen bohrten sich wie angespitzte Stricknadeln in seinen verschwitzten Körper. Doch so sehr er an den Reglern drehte, konnte er ihnen doch keinen einzigen warmen Tropfen abringen. Der Schimmel fraß sich in die Ecken der Duschkabine und zum ersten Mal war Alexander froh seine Badelatschen eingepackt zu haben. Nun konnte der neue Tag beginnen. Sein letzter Tag in L.A..


To be continued....

©Marco Meissner, Gladbeck
mmmarcomeissner@googlemail.com
Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen oder Handlungen sind rein zufällig und ganz und gar unbeabsichtigt.

Montag, 28. November 2011

Für Sie besucht: Patrick Roth, "In My Life - 12 Places I Remember" im Rahmen des Hugo-Ball-Festjahres 2011

Patrick Roth            Foto: Stefan Vieregg

Unter diesem Motto stand der äußerst gelungene Abend von und mit Patrick Roth, dem Filmemacher und Autor. Ein weiteres Highlight in der stattlichen Sammlung von sehr ansprechenden, seltenen und hochaktuellen Angeboten der Hugo-Ball-Gesellschaft, deren Geschäftsführung mit Ricarda Faul eine sehr aktive und emsige Kulturgestalterin gefunden hat. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an Ricarda Faul, die in 2011 enorm viel frischen Wind in die eher träge Seele der pfälzischen Kulturkolonie und ihrer nationalen wie internationalen Anhänger gebracht hat. Ein Kunststück, hier ein großes Publikum zu mobilisieren und dann hoch interessierte Menschen zu versammeln. Ein runder Geburtstag in Pirmasens, den man lange feiern wird.

1953 in Freiburg i. Br. geboren wuchs Roth in Karlsruhe auf und kam mit 22 Jahren und durch den DAAD nach Los Angeles, wo er 31 Jahre fest lebte. Jetzt erst beschloss er, 2012 wieder ganz nach Deutschland zurückzukehren. Zu jenen Orten in Los Angeles, an denen er in diesen Jahren damals wohnte und schrieb, Erfahrungen und Begegnungen sammelte, kehrte er anlässlich seines Films IN MY LIFE zurück und drehte im Auftrag des ZDF einen 40-minütigen autobiografischen Film, ein "elektronisches Tagebuch": herausgearbeitete Kristallisationspunkte der Erinnerung an das frühere Leben und Arbeiten, die den Prozess der persönlichen und künstlerischen Entwicklung rückblickend sichtbar werden lassen. Ein Film, der seine Person selbst zum dramaturgischen und inhaltlichen Gegenstand hatte, eine große Aufgabe und eine Herausforderung.

Im selben Jahr, als der Film fast fertig war, 2006, erhielt Patrick Roth die Auszeichnung "Mainzer Stadtschreiber". Er beschreibt am Ende des Films ein Gefühl der tiefgründigen Unsicherheit und Ungewissheit anlässlich einer bevorstehenden Lesung aus seinen Werken und hinsichtlich der Dinge, die waren und kommen werden. Das so wichtige Zusammentreffen von Zuhörern und ihm im Mainzer Dom, die Gewissheit, dass in 30 Jahren spätestens nur noch wenige aus diesem Kreis leben würden und dass aus der Vergangenheit in eine ungewisse Zukunft hinein ein magischer Fluss des Vergänglichen fließt, wie von einem weißen Licht in der Ferne angezogen. Am Ende dieser intensiven Ich-Suche und -Findung im Film die Ahnung, dass alles seinen Sinn und Bedeutung hat, so zufällig es auch erscheint.
Patrick Roth          Foto: Stefan Vieregg
Die 12 Plätze in Los Angeles, seine 12 Wohnungen, beispielsweise nahe der reichen Filmbibliothek der USC, University of Southern California, oder in der Nähe des Kinos, wo er mit seiner späteren Frau in der Kinoschlange zu einem Film von Robert Altman stand. Ein schmuckes, reich verziertes Holzhaus der Jahrhundertwende, das er liebevoll streichelte, oder ein anderes, dessen Besitzerin eine der deutschen Emigranten aus Nazideutschland war, die Roth die Kontakte zu namhaften Emigranten und selbst zu der Enkelin von Einstein ermöglichte. Auch dabei eine Behausung, die er mit seiner Frau bei Familie Langsam bis zur Scheidung teilte, und eine, die durch ein Erdbeben völlig durcheinandergeworfen wurde. Schließlich jene Wohnung, in der er die meisten seiner Texte schrieb. Eine Wohnung in der Nähe des Death Valleys, des "Zabriskie Points" von Michelangelo Antonioni aus dem Jahr 1970 und seinem direkten Bezug zu dem Lebensgefühl der 68er-Generation. Biblisches Urgestein, Urbegriff des Natürlichen in der gesamten Landschaft.
Hoch kunstvoll verbindet der Autor seinen autobiographischen Ausflug mit dem ägyptischen Totenbuch, das den Pharao auf seinem Nachen zeigt, wie er genau 12 Stunden lang in das Reich der Toten, die Unterwelt und das Königreich von Osiris vorstößt, um es dann wieder zu verlassen. 12 Stunden - 12 Orte ... Der Strom des Unbewussten, Stream of Consciousness, das Monologisieren von James Joyce und die Bilderwelt der Traumsymbole C.G. Jungs stehen ebenfalls Spalier zu dieser Hochzeit mit dem Erlebten, Erfahrenen, Verdrängten und Wiederaufgetauchten. Auf diesem Strom gelangt der Autor im schwarzen Ford Mustang, dem modernen Pferd des Cowboys, zurück zu seinen Stationen und Idolen, Einflüssen und Emotionen. Scheinbar Totes, aber bei Aufrufen wieder Lebendiges ... Keine Autobiografie ohne Traumarbeit, ohne Kommunikation mit dem Unbewussten will uns der Autor sagen. Patrick Roth hat bis heute 40.000 Seiten Traumprotokolle gesammelt. Er benutzt Träume als Quelle seiner Inspiration und weiß, wie wichtig diese Bilder für ihn, sein Verstehen und die Kunst des Schreibens sind.
Seine Vorliebe für Hölderlin verschafft uns den Genuss eines der großen Gedichte inmitten des städtischen Treibens von LA zu erleben, der Begnadete, umnachtet gestorben, wird ebenso  integriert wie amerikanische Mythen, der Western, das Lagerfeuer... Patrick Roth am Lagerfeuer seiner Helden, ein Fastamerikaner, den Traum der anderen mittragend, ein Lonely Cowboy, auch mal ein echtes Pferd reitend, und Hero in einem Road Movie. Auch der Extremtrinker Charles Bukowski, der in Andernach als Sohn eines GIs Geborene, verewigt in einem frühen Kurzfilm von Roth. Die Flut der Bilder wurde im Entstehungsprozess des Films immer größer, sodass eine Traumsequenz, die kein Entkommen mehr vor den Fluten, dem Bedrohlichen signalisierte, auch die Grenzen eines solchen Projekts zeigte.


Michaela Kopp-Marx     Foto: Stefan Vieregg
Abschließend sprach der Autor mit Michaela Kopp-Marx, einer Patrick-Roth-Spezialistin aus dem Heidelberger germanistischen Institut, und den Zuhörern eine kurze Zeit über seine Intentionen im Film und stellte noch mal klar, dass allein Projektionen eines selbst die Wirklichkeit wahrnehmen lassen, auch die eigene.  Im letzten Teil las er aus »Real Time an den Feuern« - einer unveröffentlichten Erzählung aus acht Tableaus, acht Tagebucheinträgen aus dem Juli 2002. Jedes Bild steht für sich und ist doch mit allen anderen verbunden im durchgängigen Motiv der »Real Time«: des Dauerns von Zeit, der intensiven Teilhabe am Erzählten.
Patrick Roth    Foto: Stefan Vieregg
Gewählt wurde eine Passage rund um einen Film von Eric Rohmer, Meine Nacht bei Maud (Ma nuit chez Maud, 1969), in dem rein diskursiv Themen wie Ehe, Moral, Treue und Verführung behandelt werden. Dieses mentale Fremdgehen von Jean-Louis (Trintignant) mit Maud wird für immer ohne Folgen sein, am nächsten Morgen macht er seiner eigentlich Geliebten den Heiratsantrag. Diese Maud hatte es dem Autor angetan und in einer Zelebrierung des Films vollzieht er mit einem Freund und einer Freundin eine ähnliche Runde, die er später beschrieb.

Weitere Lesungen:

Mittwoch, 30. November 2011, 19.00 Uhr
Mannheim, Ökumenisches Bildungszentrum Sanctclara, B 5,19
LICHTERNACHT

Samstag, 3. Dezember 2011, 17 Uhr
Berlin, Evangelisches Kirchenforum (Parochialkirche) 
Klosterstr. 66
Veranstalter: C.G. Jung-Gesellschaft Berlin
NO FICTION/DER FREMDE REITER
(Lesung von Patrick Roth)
DIE MACHT DES UNBEWUSSTEN. Eine Annäherung an den FREMDEN REITER
(Vortrag von PD Dr. Michaela Kopp-Marx)
http://www.jungberlin.de/events/?event_id=30

Freitag, 9. Dezember 2011, 20 Uhr
Universität Bielefeld
REAL TIME AN DEN FEUERN

Donnerstag, 15. Dezember 2011, 20.30 Uhr
Frankfurt, Romanfabrik, Hanauer Landstr. 186
LICHTERNACHT und Unveröffentlichtes