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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Samstag, 26. November 2011

Buchbesprechung: Weiskerns Nachlass von Christoph Hein

Christoph Hein
Weiskerns Nachlass
Frankfurt 2011, 318 Seiten, Suhrkamp Verlag 

Er war nicht immer so übersättigt und zynisch gewesen. Auch er war einmal vergnügt und mit Energie in die Seminarräume gestürmt und zu seinen Vorträgen, war bemüht, die jungen Leute aufzuwecken, sie aus ihrer Lethargie zu reißen, ihnen Futter zugeben oder doch anzubieten... Zu unterrichten bereitete ihm Spaß, er genoss es, ein Lehrer zu sein. Dabei galt er, wie er wusste, als streng und anspruchsvoll, er sein nie zufriedenzustellen, doch es hieß, er sei gerecht und höre zu, was offenbar seltene Lehrertugenden waren...“

Rüdiger Stolzenburg, der Romanheld, ist 59 Jahre alt und hat seit 15 Jahren eine halbe Stelle als Dozent in einem kulturwissenschaftlichen Institut in Leipzig.
Als Dozent für Literatur und Kulturwissenschaften kennt er Schillers Antrittsvorlesung an der Jenaer Universität über den Gegensatz zwischen Brotgelehrten und Geisteswissenschaftlern. Stolzenburg ist noch Geisteswissenschaftler, Aufstiegschancen existieren allerdings für ihn nicht, mit seinem Gehalt kommt er nur schlecht über die Runden. Dürftige Honorare für freie Aufträge helfen beim Überleben.
Der Romanheld ist ein typisches Beispiel des akademischen Prekariats und des alternden, enttäuschten DDR-Wissenschaftlers. Ihm fehlt jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft oder wie Christoph Hein in einem Interview über seine Hauptfigur sagt: „Das Leben wird für Stolzenburg noch sehr viel härter werden. Aber da sehen Sie meinen optimistischen Blick auf die Welt, dass ich rechtzeitig den Vorhang schließe.“
Die selbst gesetzten Maßstäbe an Lehre und Forschung kann Stolzenburg unter den bestehenden Verhältnissen nicht aufrecht erhalten. Für sein Forschungsprojekt über den Schauspieler, Librettisten Mozarts und Kartografen Friedrich Wilhelm Weiskern lassen sich weder Drittmittel noch Publikationsmöglichkeiten erschließen. Eine hohe Nachforderung der Finanzamtes, die ihn an den Rande des Ruins treibt, verdeutlicht Stolzenburg endgültig, dass in der privaten und beruflichen Welt, den menschlichen Beziehungen und der Gesellschaft Unverzichtbares abgewickelt wird. Moralische Werte verblassen.
Ablenkung findet er bei seinen Freundinnen, die es aber nicht wagen dürfen, zu tief in sein Leben einzudringen: Er liebt Frauen, aber er braucht die Distanz... Allein zu sein, das ist für ihn lebensnotwendig. Zu viel Nähe verträgt er nicht. So hat er „regelmäßigen, brauchbaren, unkomplizierten Sex“ mit der Friseuse Patricia, die ihn anhimmelt, die er fair behandelt, aber nicht liebt. Schließlich lässt er sie allein zurück. Eine neue Beziehung aufzunehmen, scheitert an Vorurteilen und Ängsten. Hein beschreibt nüchtern die Unfähigkeit zu lieben, nicht, weil man nicht lieben möchte, sondern weil man es verlernt hat.
Aber vielleicht, sagt er sich, ist er mittlerweile zu so etwas wie Liebe nicht mehr fähig, vielleicht ist er zu alt dafür oder zu müde. Nach wie vor ist er gern mit Frauen zusammen, er ist lieber in ihrer Gesellschaft, geht lieber mit ihnen aus als mit seinen Freunden, und die Gespräche mit Frauen sind ihm angenehmer als die etwas drögeren Unterhaltungen mit Männern... Er verträgt es nicht, wenn Tag und Nacht eine Frau um und bei ihm ist, und sei es auch nur im Nachbarzimmer. Er hat sie gern, es macht ihm Spaß, für sie zu kochen, er schläft gern mit ihnen, aber das war es dann auch.“

Um den Wissenschaftler herum zerbrechen menschliche Beziehungen, setzen Gewalt frei, geben mehr Schein als Sein preis. Schließlich wird er ahnungsloses Opfer und unfreiwilliger Verfolgter in einem Betrugsfall.
Hein zeichnet außerdem ein düsteres Bild der jüngeren Generation. So wird Stolzenburg von einer Teenager-Mädchenbande verfolgt, erpresst und niedergeschlagen. Seine Studenten versuchen ihr Diplom gegen Liebesleistungen oder Geld einzutauschen. Einige von Stolzenburgs Studenten, wie der wenig Interesse zeigende Sebastian Hollert, verfügen über ein Monatseinkommen, von dem er nur träumen kann.
Der Roman beginnt und endet an Bord eines Flugzeuges. Die Maschine gleitet ruhig dahin. Nur einer der Passagiere ist auf dem Flug nach Basel ins Grübeln gekommen. Ein Kulturwissenschaftler, also kein Grund zur Beunruhigung...
Christoph Hein bewies schon mit dem Buch „Frau Paula Trousseeau“ seine Analysefähigkeiten. Dem Autor ist ein aktueller, realistischer, literarisch gut durchdachter Gesellschaftsroman gelungen. Mich hat das Buch sehr berührt. Michael Hametner, der mdr-Literaturredakteur meint: „Hein analysiert die Verhältnisse, in denen wir leben, so präzise, dass es einem bei der Lektüre richtig kalt wird."


Über den Autor:
Christoph Hein wuchs in der Kleinstadt Bad Düben bei Leipzig auf. Er arbeitete als Montagearbeiter, Buchhändler, Kellner, Journalist, Schauspieler und Regieassistent. In Berlin und Leipzig studierte er zwischen 1967 und 1971 Philosophie und Logik. Danach wurde er Dramaturg und Autor an der Volksbühne in Ost-Berlin. Seit 1979 arbeitet er als freier Schriftsteller. Bekannt geworden ist Christoph Hein durch seine Novelle Der fremde Freund. Als Übersetzer bearbeitete er Werke von Jean Racine und Molière. Von 1998 bis 2000 war Christoph Hein erster Präsident des gesamtdeutschen PEN-Clubs und bis Juli 2006 Mitherausgeber der Wochenzeitung Freitag. Christoph Hein hat mit seiner inzwischen verstorbenen Ehefrau, der Filmregisseurin Christiane Hein, zwei Söhne, der jüngere ist der Schriftsteller und Arzt Jakob Hein. Hein ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. Lyrische Werke von Christoph Hein wurden 2009 von Hans-Eckardt Wenzel unter dem Titel „Masken“ vertont.

Samstag, 6. August 2011

Buchbesprechung: Der Autor und der Lektor

 Seiltanz
Der Autor und der Lektor
Hg. und mit einem Nachwort versehen von Thedel v. Wallmoden
Göttingen 2010, 208 S., geb., Schutzumschlag
18,- € (D), Wallstein Verlag

Als Berufswunsch junger Germanistikstudenten rangiert die Arbeit in einem Verlag, speziell im Lektorat, in der Regel ziemlich weit oben. Doch wie ein Lektor konkret arbeitet, wissen die Allerwenigsten, das fertige Buch gibt keinerlei Auskunft mehr über den Entstehungsprozess. Auch ist den wenigsten klar, dass sie sich auf einen schwierigen Weg begeben, der eher mit Armut als mit finanziellem Erfolg im Leben gepaart ist. Es gibt sehr wenig Stellen, man kann sie an der Hand abzählen und wirklich Erfolg haben nur wenige. Vielen Verlagen ist eine Buchhändler- oder Verlagskaufmannlehre wichtiger als ein Studienabschluss, bis auf die renommierten Stellen, da bitte mit Doc! Aber die 1st-class-Literaturlektoren sitzen in der Regel Jahrzehnte auf ihren Posten. Der Rest nimmt mit Ratgeber- und Sachliteratur, Massenware und Korrekturen vorlieb. Und seit 2000 haben gravierende Veränderungen in der Verlagswelt wie im Wirtschaftsleben allgemein zu enormen Stellenengpässen geführt. 
Nach wie vor bleibt der Prozess der Buchentstehung jedoch spannend: Was passiert eigentlich mit dem Text auf der Strecke zwischen Manuskript und fertigem Buch? Wie gehen erfolgreiche Schriftsteller damit um, wenn jemand ihren Text kritisch beurteilt und Änderungen vorschlägt? Welche Beziehung haben Autoren, die noch nicht so bekannt sind, zu ihrem ersten Leser?
Thedel v. Wallmoden hat 45 Autorinnen und Autoren der Gegenwartsliteratur gebeten, über ihre sehr persönlichen Erfahrungen und Eindrücke in der Zusammenarbeit mit dem Lektor zu schreiben. Sie sind dieser Bitte auf ganz unterschiedliche und persönliche Weise nachgekommen und haben Texte, Gedichte oder auch Briefe geschickt. Herausgekommen ist ein wunderbarer Band, in dem namhafte Autorinnen und Autoren Einblick in ihre Ar­beitsprozesse geben.
Dass dieser Band kurz vor dem 50. Geburtstag von Thorsten Ahrend am 27.7.2010 erschien,war kein Zufall und durchaus beabsichtigt.
Mit Beiträgen von:
Jörg Albrecht, Heinz Ludwig Arnold, Lukas Bärfuss, Clemens Berger, Steven Bloom, Volker Braun, Daniela Danz, Heinrich Detering, Friedrich Dieckmann, Hugo Dittberner, Kurt Drawert, Ralph Dutli, Matthias Göritz, Durs Grünbein, Dorothea Grünzweig, Norbert Gstrein, Peter Hamm, Harald Hartung, Christoph Hein, Joachim Helfer, Steffen Jacobs, Daniel Kehlmann, Gabriele Kögl, Ulrike Kolb, Uwe Kolbe, Angela Krauß, Günter Kunert, Svealena Kutschke, Friederike Mayröcker, Andreas Neumeister, José F. A. Oliver, Sabine Peters, Hermann Peter Piwitt, Doron Rabinovici, Hendrik Rost, Gregor Sander, Silke Scheuermann, Robert Schneider, Bruno Schrep, Lutz Seiler, Alissa Walser, Martin Walser, Anne Weber, Kai Weyand, Ulf Erdmann Ziegler