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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Freitag, 29. November 2013

Dichterhain: 16 JAHRE von Artem Zolotarov


16 Jahre

Haltestellen flackern schimmrig
in den Nähten ohne Dach.
Trübe Scheiben, harter Sitzplatz,
und das Brummen hält sie wach.

Sie kann lange nicht mehr hoffen,
denn sie kennt die Welt zu gut.
Ewig ist sie schon alleine.
Angst vorm Tod gibt Lebensmut.

Sie war schön, ihr Körper lockte
viele Männer mit viel Geld.
Jetzt hängt schlaff ein roter Pulli
am Skelett, das ihn noch hält.

16 Jahre, wirre Träume,
keine Grenzen, auf und weg.
Aufgewacht in nassen Gossen,
durch die Adern fließt jetzt Crack.

Und die Männer, die jetzt kommen,
haben immer noch viel Geld,
doch bekommt sie keine Achtung,
stumpfer Trieb regiert die Welt.

Wenn der Mond scheint in den Nächten,
dann fließt wieder etwas Mut.
Sie kann fliegen und kann tanzen,
denn ihr Glück spritzt sie ins Blut.

Diese Scheiben trüben alles,
und die Lampe flackert auf.
Schließt die Augen sie vom Weinen,
wird sie 16, bleibt zu Haus.

Diese Jugend, diese Jahre,
sie sind weg und keiner weiß,
ob die Zeit, die wir noch haben,
wieder so wird, wie zu Haus.

Weiter laufen, weiter kriechen, weiterkommen, irgendwie.
Wir verrecken, wie wir leben,
leise lacht die Ironie.

Wieder stumpfes Wiederkehren,
von der Arbeit, die er hasst.
Wiederholt er diese Dinge,
immer wieder ohne Hast.

In der Wohnung auch dasselbe.
Essen, Schlafen, Surfen durch
abenteuerreiche Welten.
Große Schlachten ohne Furcht.

Und im Bett, da ist er einsam.
Diese Stille frisst ihn auf.
In der Welt der schneller Liebe,
kennt er Nähe nur durch Kauf.

16 Jahre, keine Sorgen,
keine Pflichten, warmes Haus.
Ausgezogen in die Ferne.
Außen Mann, doch innen Maus.

Keine Freunde, nur Kollegen.
Keine Liebe, nur der Druck.
Er bewegt sich auf die Schienen.
Keiner mehr, der ihn bespuckt.

In den letzten Augenblicken
seines endlos langen Laufs
schließt die Augen er vom Weinen.
Wird er 16, bleibt zu Haus.

Diese Jugend, diese Jahre.
Sie sind weg und keiner weiß,
ob die Zeit, die wir noch haben,
wieder so wird, wie zu Haus.

Weiter laufen, weiter kriechen, weiterkommen, irgendwie.
Wir verrecken, wie wir leben,
leise lacht die Ironie.

Diese Menschen sterben elend,
durch die Waffe seiner Hand.
In den Nächten träumt er wieder
von dem Blut im Wüstensand.

Dient er folgsam seiner Heimat.
Tötet er den Feind, das Kind.
Weiß er nicht, ob Gott ihm zusieht.
Schüsse, Schreie, stummer Wind.

Ob es Sinn macht hier zu denken,
fragt er sich schon lang nicht mehr.
Keine Fragen, die ihn quälen.
Er ist folgsam, stumpf und leer.

Seine Frau wartet nicht mehr.
Sie ist weg, Melissa auch.
Dieser Weg nahm ihm die Hoffnung.
Keiner mehr, der ihn noch braucht.

16 Jahre, heißer Sommer.
Footballspielen mit dem Dad.
Er wollt dienen seiner Flagge.
Blutet nun im Lazarett.

Diese Nacht wird es entscheiden.

Er steht auf und nimmt den Lauf
seiner Waffe, lädt sie leise,
keine Zweifel flackern auf.

Und als Ruhe ihn durchflutet,
vor den Augen läuft der Film
seiner Jugend, jener Tage,
als er glaubte an den Sinn.

Trübe Scheiben, kalte Schienen
und der letzte Schuss im Lauf.
Schließt die Augen, du vom Weinen
werde 16, bleib zu Haus.

Diese Jugend, diese Jahre.
Sie sind weg und keiner weiß,
ob die Zeit, die wir noch haben,
wieder so wird, wie zu Haus.

Weiter laufen, weiter kriechen, weiterkommen, irgendwie.
Wir verrecken, wie wir leben,
leise lacht die Ironie.

Samstag, 5. Oktober 2013

Dichterhain: FAST von Artem Zolotarov


Fast

Mich überkommt schon fast ein fahles Schaudern,
wenn ich fast denke, was ich fast schon bin.
Und fasst das Fast mich zwischen Wut und Zaudern,
so will ich fast schon groß sein, wie ein Kind.

Schon immer war ich fast der Allerbeste.
Nur fehlte fast zu viel, um es zu sein.
Der fast gewollte Gast erfasst nur Reste,
die fast schon wichtig sind, ist er allein.

Ich werde fast zufrieden Leben lernen
Zufrieden sterben kann man auch nur fast.
Und irgendwann gehör ich zu Legenden,
und wenns nicht klappt, dann werd ichs eben fast.

(c) Artem Zolotarov

Donnerstag, 15. August 2013

Dichterhain: RABENSCHWARZE REGENBOGEN von Artem Zolotarov



Rabenschwarze Regenbogen
logen Tränen freier Engel.
Oden an den Zweifellosen
klangen klagend und verdorben.

Weit ist Glaube,
weit die Hoffnung
auf ein Sein ohne Befehle,
mit der Ahnung,
dass man ohne
nur ein unnütz
Staubkorn wäre.

Rebelliere wie die Winde,
träume bunte Paradiese.
Und am Ende schweige leise,
warte, lebe, baue diese.

Ob es Lob gibt
für den Frommen
oder Pein
dem Säkularen,
beide ahnen
Frieden oben,
fürchten Hades
strenge Flammen.

Rabenschwarze Regenbogen
lügen Tränen freier Engel.
Oden an den Zweifellosen
klingen klagend und verdorben.

(c) Artem Zolotarov

Samstag, 20. Juli 2013

Dichterhain: AN MEINER WAND von Artem Zolotarov


An meiner Wand

Jede Metapher rahm ich ein
und häng sie dann an meine Wand.
Denn jedes Bild, das sprechen kann,
soll zieren meine Wand fortan.

An meiner Wand hängt mancher Mist
und vieles, was nicht reden kann.
Doch mit der Zeit und viel Geduld,
erreichen ein paar Zeilen dann,
von meiner Wand,
deinen Verstand.

An meiner Wand, da hängt die Welt,
und jedes Wort im Goldgewand.
Zufrieden schau ich sie an,
die leere Wand aus Wind und Sand,
mit bunten Bildern im Verstand.
Und das, was hier und jetzt entstand,

ja, das kommt auch an meine Wand.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Dichterhain: I must go in, for the fog is rising / Vergessen von Artem Zolotarov

(c) Silke


I must go in, for the fog is rising / Vergessen


Wie wunderbar Vergessen ist,
wie weich sind seine Kanten.
Wie Samt die Kissen, engelsweich.
Der Nebel ohne Schranken.

Vergessen misst uns Hoffnung bei,
es weiß den Schmerz zu lindern.
Wer blind sein will, hat hier sein Heim.
Sieht seine Ängste schwinden.

Oh ich vergesse, werde froh
werd wieder Kind im Geiste.
Ich erlebe nur noch so.
Vergesse, lache leise.


(c) Artem Zolotarov

Mittwoch, 29. Mai 2013

Die beliebtesten Gedichte der Woche 13 / 2013

Die Winterdepression gerne hinter sich lassend mit Andreas Noga auf Platz eins, auf Platz 2 Hannes Pum mit Sternen von ihr, die Gesundheit erwachen lassen. Den dritten Platz teilen sich die Klage über das kurze Verweilen des Schönen von Artem Zolotarov und die Prophezeiung von Kerstin Seidel, dass Liebe und Vielfalt die Einfalt und Niedertracht überdauern werden.

1   Dichterhain: TAUEN von Andreas Noga
2   Dichterhain: GESUNDHEIT von Hannes M. Pum
3   Dichterhain: DER SCHÖNE HAUCH von Artem Zolotarov
         Dichterhain: UTOPIA von Kerstin Seidel

Freitag, 24. Mai 2013

Dichterhain: Mein Engel



Mein Engel

Ich will dir zeigen,
wie das Leben sein kann,
wie es sein sollte
und so selten ist.
Wie man vertraut
und ohne bunte Worte
vermitteln kann - DU BIST PERFEKT,
so wie du bist.

Ich will dein Lachen,
das so selten da war,
so seltsam magisch
und so selten schön.
Wie weit ist Glück?
Wie weit sind warme Worte?
Sie sind in uns,
wenn man nur richtig hört.

Ich will dein Glück,
ich möchte dich verstehen
und dich begehren
wie du mich begehrst.
Darf ich ein Stück an deiner Seite gehen?
Bis deine Flügel
meinen Winden Rast gewären.

(c) Artem Zolotarov

Freitag, 26. April 2013

Dichterhain: Weißt du wo Schmetterlinge rasten? Von Artem Zolotarov


Weißt du wo Schmetterlinge rasten?



Weißt du wo Schmetterlinge rasten?

Da, wo der Regenbogen blüht.

Wo keine Sorgen auf dir lasten,

wo Sonne Hoffnungsstrahlen sprüht.



Weißt du wo Schmetterlinge lieben?

Da, wo die Wellen Himmel streicheln.

Wo weiße Engel selig fliegen,

wo flotte Bienen Blumen schmeicheln.



Weißt du wo Schmetterlinge weinen?

Da, wo vor Lachen Träen fließen.

Wo Kinderaugen Freude fassen,

wo Menschen sich in Arme schließen.



Komm, mach dich auf zu diesem Ort.

Die Schmetterlinge warten dort.

(c) Artem Zolotarov

Mittwoch, 27. März 2013

Dichterhain: DER SCHÖNE HAUCH von Artem Zolotarov

Tabu – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden, Film von Christoph Stark über Georg Trakl



Der schöne Hauch



Ach, wenn Gefühl nur ewig währte.

Ich gäbe alles dafür her.

Wenn Liebe standhaft wie der Trieb

in unsern Gliedern säße tief.



Doch wärmt nur kurz der schöne Hauch.

Der Mensch ist Tier und bleibt es auch.

(c) Artem Zolotarov

Dienstag, 5. März 2013

Dichterhain: OH FEJGELE, FEJGELE von Artem Zolotarov



Oh fejgele, fejgele

Fejgele, fejgele, gej awek.
Oh flieg du Vogel,
du bist frei.
Flieg weit, flieg schnell,
flieg hin zu Gott.
Dort gibt's kein' Winter,
keine Zeit.

Oh fejgele, fejgele, gej awek.
Die Luft ist leicht.
Flieg weit, flieg schnell,
flieg ohne Furcht
zum Himmel hin.
Dort gibt's nur Freiheit,
keine Zeit.

Oh fejgele, fejgele, gej awek
und sing mein Lied,
sing's weit, sing's laut.
Erzähl den Menschen
von dem Ort,
an dem von ihnen
keiner war.

Oh fejgele, fejgele, gej awek,
doch nimm ein Stück von mir mit dir.
Erzähl den Menschen, wer ich war.
Oh fejgele, fejgele, bitte flieg. 

(c) Artem Zolotarov 

Donnerstag, 14. Februar 2013

Die beliebtesten Gedichte der Woche 6 / 2013

In der letzten Woche war Kerstin Seidel neu vertreten im Dichterhain und in den Fantasien. Sie hat sich gleich zwei Plätze erobert: einmal mit klarem Vorsprung Platz 1 und daneben noch Platz 3. Dazwischen auf Platz 2 Artem Zolotarov.

1    Dichterhain: ROT von Kerstin Seidel 

2    Dichterhain: DIE LIPPEN von Artem Zolotarov 

3    Fantasien zur Nacht: ZART von Kerstin Seidel

Dienstag, 5. Februar 2013

Dichterhain: DIE LIPPEN von Artem Zolotarov


Die Lippen



Die Lippen,
welche niemals bitten,
und niemals baten,
niemals bitten werden.
Sie warten stumm,
auf Sprachen der Gebärden.
Und einen Kuss,
nur einen Kuss,
der sie versteht.
Und mag der Kuss
auch den Genuss verwehren,
in allen Ehren
bleibt die Fantasie.
Für sie würden die Lippen
Meere leeren.
Ohne ein Wort des Bittens,
nur für sie.


Die Lippen,
welche niemals bitten,
und niemals baten,
niemals bitten werden,
verwahren schweigend Gold,
bis sie verschlossen sterben.
Ohne den Kuss,
nur einen Kuss,
der sie versteht.

(c) Artem Zolotarov


Dienstag, 22. Januar 2013

DER VERLORENE RETTER von Artem Zolotarov

(c) www.BilderKostenlos.org

Der verlorene Retter

"Man muss sich gegenseitig helfen, das ist ein Naturgesetz."
Die untergehende Sonne kämpft gegen das Leuchten und Flackern der Neonbuchstaben auf dem Parkplatz. Nachdem die letzten Autos das Weite gesucht haben, gehen die Lichter aus, und die Nacht setzt zu ihrer Patrouille an. Allein der Wind wirbelt abenteuerlustige Herbstblätter herum, die ihren Müttern vor langer Zeit entrissen, auf die erlösende Härte und Stille der Winterböden warten. Doch der Winter ist nicht jedem ein Freund. Eine vermummte Gestalt stolpert die Straße entlang. Sie trägt einen alten Militärmantel, dem, aus seinem Gefecht gegen den Lauf der Zeit, zahlreiche Löcher und notdürftig geflickte Wunden geblieben sind. Die Flasche in seiner Rechten ist noch halb voll und der fehlende Rest wärmt seine Innereien, so dass er die Kälte kaum spürt. Hinter der Mülltonne breitet er sein Nachtlager aus – ein Pappestück und einen Sack. In seinen Augen ebbt der Schmerz und die Flut der Erinnerungen übermannt ihn.

Wie wars heute in der Praxis, Papa?“
Wie immer, Schatz. Frau Müller war diese Woche zum vierten Mal bei mir. Sie hat sich den Zeigefinger an einer Raviolidose geschnitten und bekam Panik. Aber ich konnte sie überzeugen, dass eine Amputation nicht nötig sei und die Wunde mit einem Wundpflaster versorgt.“
Oje, die Frau nervt dich doch bestimmt ohne Ende?“
Manchmal schon. Aber sie kann nichts dafür. Nachdem ihr Mann gestorben ist, hat sie nicht mehr viel zu tun. Da ist jeder menschliche Kontakt wie ein Kur für die Seele.“
Die kleine Familie war gerade auf dem Weg nach Hause. Sie hatten in ihrem Lieblingsrestaurant zu Abend gegessen und freuten sich auf den Dvd-Abend, den der Vater ihnen versprochen hatte. Als Arzt war er nur selten für solche Freizeitaktivitäten zu haben, aber dieses Mal wurde er mit sanfter Gewalt von seiner Frau gezwungen und freute sich sogar, dass ihn endlich jemand aus seinem Praxis-Alltag befreien konnte.
Auf der Landstraße war es ruhig. Der Mercedes glitt durch die Dunkelheit und das weiß-blaue Neonlicht der Frontleuchten schnitt zwei Kegel in das vom Regen geschwärzte Asphaltfleisch. Vater Uwe hielt das Lenkrad sicher und konzentrierte sich auf die Straße. Der Regen setze wieder ein und kleine Tropfen benetzten die Scheibe des Wagens. Die Sicht wurde immer schlechter. Nach wenigen Minuten kamen die Scheibenwischer den Wassermassen kaum mehr nach und Uwe schaltete die sie auf die höchste Stufe. Eine letzte Kreuzung war noch zu überqueren, bis die heimische Garage als sicherer Hort vor dem Regenschauer bereitstand. Die Ampel winkte einladend gelb, da zu dieser späten Stunde kein großes Verkehrsaufkommen die Kreuzung mehr belastete. Uwe hielt an der Kreuzung, schaute zu beiden Seiten und setze den Wagen wieder in Bewegung, dabei vergaß er den richtigen Gang einzulegen, so dass das Getriebe, nach einem kurzen Aufschrei, seine Arbeit versagte und das Brummen des Motors verstummte. Nur noch das monotone Regenrauschen war zu hören war.
Ach Uwe, immer wieder dasselbe mit dir“, sagte die Mutter. „Gib dich nicht auf, lern Hupen und Schalten“, ergänzte sie scherzhaft.
Ist gut Schatz, wir haben alle herzhaft gelacht.“
Keiner der Wageninsassen bemerkte, wie sich ein zu schnell fahrender Transporter ihnen näherte. Dessen Fahrer wiederum tippte gerade eine kleine Liebesnachricht für seine Frau ins Handy.
Der Transporter prallte mit voller Wucht in den Familienwagen.

Als er die Augen aufmachte, fand er sich in einem Krankenhauszimmer wieder. Eine Infusion beschwerte seinen Arm und um seinen Kopf ertastete er einen Verband. In seinem Kopf war es leer, nur der Regen prasselte immer noch und wusch alles fort. Ein Flimmern machte sich bemerkbar und ihm wurde klar, dass er unter Medikamenteneinfluss stand. Wie oft hat er selbst Patienten betäubt, um sie von ihrem Schmerzen zu erlösen und nun war er selbst der Patient. Die Zimmertür ging auf und eine Schwester kam herein. Ihr folgte der Arzt.
Herr Bonn, es freut mich, dass Sie wieder bei uns sind. Wie geht es Ihrem Kopf?“
Was ist passiert? Wo ist meine Familie?! Wo sind meine Kinder!?!“
Herr Bonn, Sie brauchen jetzt Ruhe, viel Ruhe und Erholung. Das ist das Wichtigste.“
Sagen Sie mir, wo meine Kinder sind!“
Der Arzt schaute verlegen zu Boden, dann kam er näher ans Bett, legte seine Hand auf Uwes Schulter.
Es tut mir Leid. Es gab einen schrecklichen Autounfall in den Sie uns Ihre Familie verwickelt wurden und... Sie... ähm.“
Er stockte und suchte nach dem richtigen Worten. Seine Augen ließen Mitgefühl erahnen, spiegelten aber nur die routinierte Schauspielkunst eines Profis. Er senkte den Blick wieder zu Boden, zählte innerlich bis drei und sagte: „Es tut mir Leid. Keiner außer Ihnen hat den Unfall überlebt. Dass Sie noch am Leben sind, ist auch ein Wunder.“
Das Flimmern wurde wieder stärker, dazu kam ein Piepen und Pfeifen. In Uwes Kopf blähte sich etwas auf und platzte, was ihn bewusstlos werden ließ.

Nach drei kräftigen Schlücken ist die Flasche leer, wobei gut die Hälfte des Gesöffs auf seinem Mantel landet. Uwe greift in die Tasche und sucht nach Geld, sucht nach dem, was er vor kurzem noch in Überfluss hatte und was ihm jetzt fehlt, um den damaligen Überfluss wieder kurz aufleben zu lassen. Die schmutzige Hand holt ein paar Cent heraus, und ihm wird klar, dass es für keine Flasche mehr reichen wird. Benebelt und durchnässt rollt er sich auf die Seite, um die gewohnt albtraumvolle Nachtruhe zu empfangen.
Ein plötzliches Krachen zieht ihn aus dem Schlaf. Benebelt macht er die verquollenen Augen auf. Beim Blick nach vorne erkennt er, was den Lärm verursacht hat. In zehn Metern Entfernung, direkt neben dem Parkplatz, stehen zwei Autowracks. Rauch qualmt aus den Motorhauben, die Scheiben sind zerbrochen und eines der Fahrzeuge liegt mit den Rädern nach oben.
Plötzlich durchfährt ein Ruck seinen Körper. Er springt auf und setzt sich in Bewegung. Sein Kopf ist plötzlich klar, seine Augen wach; er ist bereit, Gelerntes umzusetzen, Leben zu retten, einfach zu helfen. Am Unfallort angekommen, findet er zwei bewusstlose Fahrer. Blutüberströmt liegen beide in den Autowracks. Hektisch zieht er beide hinaus und versorgt sie notdürftig – stabile Seitenlage, Beatmung, Blutung stoppen. Doch eines der Opfer blutet weiter, der Blutstrom will nicht aufhören, egal was er macht, es scheint aussichtslos. Mit einem Druckverband presst er die Wunde zu. Minuten vergehen, die ihm wie Stunden vorkommen bis er Krankenwagensirenen näher kommen hört. Sanitäter springen aus den Wagen und rennen zu den Verletzten. Alles ist wie früher, denkt er sich, es ist alles wieder wie früher.

Am nächsten Tag überschlagen sich die Zeitungen mit Sensationsschlagzeilen: „Schwerer Autounfall, beide Fahrer überleben wie durch ein Wunder.“
Prost, auf euch, Jungs“, sagt er zu sich selbst, als er die neue Kornflasche zum Mund führt. Es ist wieder Abend und die Kälte frisst sich heute stärker in sein Fleisch. Sie haben ihn mit keinem Wort erwähnt. Traurig blickt er zu Boden und zählt bis drei. Die zusammengeknüllte Zeitung dient heute als Kissen. Wenigstens etwas...

Sonntag, 11. November 2012

Dichterhain: SPRITZTOUR von Artem Zolotarov


(c) zinn-museum

Spritztour

Kupplung, erster Gang, Gas geben.
Beim dritten Date den Anstand nehmen.
Zweiter Gang - verliebtes Taumeln.
Dritter Gang - die Herzen schaukeln.
Vierter Gang - im Duft der Rose.
Fünfter Gang - sie wäscht die Hose.
Vierter Gang - zusammenziehen.
Dritter Gang - in Urlaub fliegen.
Zweiter Gang - sich distanzieren.
Erster Gang - zusammen frieren.
Motor aus, gewohntes Schweigen,
bis sich nicht mal Blicke zweigen.
Tür geht auf und Tür geht zu.
Liebe - fragt sich nur wozu.
Kurze Pause, überlegen.
Nächste Spritztour kommt gelegen.
Und es fängt von neuem an,
Kupplung, schalten, erster Gang. 

(c) Artem Zolotarov

Sonntag, 7. Oktober 2012

Dichterhain: WEINE NICHT, Kurzprosa von Artem Zolotarov








Irgendetwas weckte mich oder ließ mich einschlafen. Mein Zimmer schlummerte im Dämmerlicht der vorabendlichen Laternenlichter.
Es wirkte wie die Kulissen eines billigen Horrorfilmes, bei dem der Dekorateur angesichts seines geringen Honorars nur das Nötigste aufgestellt hatte. Etwas Trauriges lag in der Luft. Der bittere Nachgeschmack einer vergeudeten Jugend stieß auf das sich immer breiter machende Gefühl, verrückt zu werden. In meinem Kopf bauten sich hypothetisch Strukturen auf nur um kurz darauf, von der Seuche des gesunden Menschenverstandes zerfetzt zu werden. Wieder starrten mich meine blassen, gläsernen Augen im Spiegel an. Das, was ich sah, war weder Kind noch Mann, etwas dazwischen und außerhalb, verwaschen wie ein Wasserzeichen im Regen, ausgelöscht vom Ursprung, vertröstet vom Warten auf ein unausweichliches Ende. Ich musste hier raus.
Frische Luft der verpesteten Großstadtvenen füllte meine Lungen. Nasser Asphalt spiegelte das Licht der 100 Watt starken Sonnen, die in regelmäßigen Abständen am Straßenrand gepflanzt standen. Bunte Leuchtreklame hypnotisierte vorbeiziehende Individuen, versprach billiges Fliegen, unendlich weite Badestrände, traumhafte Frauen (nur minimal am Computer bearbeitet), all inclusive, alles, was das Herz begehrt. Paradies, so weit das Konto reicht.
Hände in den Taschen, den Blick nach unten, in meinen eigenen Gedanken wühlend, schlenderte ich immer weiter in die Nacht hinein. Mein Gang war unkoordiniert, ungezielt, es war ein Nachvornefallen, ein Zurseiteschwänken, das immer wieder damit endete, dass der jeweils betroffene Fuß doch noch den Fleck Erde vor sich fand, um mich sicher abzubremsen. Es ging langsam voran. Vor mir lag eine neue Stadt, ein neues Leben. Ob es besser werden würde?
Kurz vor Mitternacht drehte ich um und trat den Heimweg an. Alleine durch verlassene Straßen gehend, beschleunigte ich meinen Schritt. Autos streiften meine Aufmerksamkeit mit grellen Lichtern in deren Kegel ich für einige Augenblicke, unfreiwillig, zum erleuchteten Niemand in einer schlafenden Betonwüste wurde.
Etwa 100 Meter vor mir bewegte sich etwas. Nach wenigen Sekunden erkannte ich, was es war: ein Mädchen, etwa 1,60m groß, dunkle Haare, die nach hinten zusammengebunden ihren eigentlichen Zweck verfehlten. Angespannt und etwas verkrampft, rannte sie mir entgegen. Ein weißes Top und eine schwarze Hose, dazu Chucks-Schuhe. Kurz bevor sie an mir vorbeirannte, sah ich in ihr Gesicht. Aus zusammengekniffenen Augen liefen Tränen, ihre roten Wangen glänzten, der Mund, voller Bitterkeit, zu einem halbovalen Bogen geformt. Ihre Aura durchdrang mich, durchdrang meinen Körper, meine Seele, raste durch alle Nervenbahnen. Es war, als ob ein Teil von mir in ihr wäre. Ein Teil, den ich schon so lang gesucht hatte, dass ich von seiner Existenz vergessen hatte, ein Teil, der mir fehlte, wie der i-Punkt über dem i, wie die kleine Innentasche bei Jeanshosen, wie der Geruch von Neubüchern, wenn man sie zum ersten Mal in der Hand hält, wie etwas, das nicht unbedingt notwendig erscheint, dessen Fehlen aber eine Unvollkommenheit spüren lässt, eine schmerzliche Ahnung, wie es sein könnte, wäre er da.
Ich wollte sie anhalten, wollte sie umarmen, ihr zeigen, was ich empfand, ihre Tränen stillen und sie nie wieder weinen lassen. Doch ich konnte nicht. Sie lief an mir vorbei und ich schaffte es nicht einmal, mich umzudrehen. Ich stand da und schaute in die geschwülstartige Schwärze der Nacht, die mich paralysierte, mich lähmte, so schwer auf mir lag, dass ich nicht mehr atmen konnte, nicht mehr atmen wollte, nicht mehr atmen sollte, wäre ich auch nur eine Sekunde ohne sie, ohne ihre Wärme, die ich nie zu spüren bekam, die mir so fehlte in dieser kalten, toten Hölle, gepflastert mit toten Seelen.
Nach einer Ewigkeit oder nur wenigen Sekunden, schaffte ich es mich doch noch umzudrehen.
Die Straße war leer.

(c) Artem Zolotarov

Samstag, 8. September 2012

Dichterhain: STRAHL DER EMPATHIE

Vollmond (c) ddp
Strahl der Empathie

Suchst du den Strahl der Empathie
im Schneesturm stummer Steppen?
Und ist der Mond nicht groß genug,
um Sehnsucht zu verdecken?

Sind Nächte dir nicht lang genug,
um Tage zu verbrennen?
Ja, selbst im tiefsten Schlund des Fluchs
ist Segen zu erkennen.

Wir sind nur das, was Regen weint,
was Wind und Wolken lassen.
Wir sind nur Staub und Fantasie
in Gräben schneller Straßen.

Wir sind nur Kinder ohne Zeit,
und ohne Ziel auf Wegen,
die steinig-weich und tonnen-leicht
uns führen durch das Leben.

(c) Artem Zolotarov

Montag, 6. August 2012

Dichterhain: SO WEIT von Artem Zolotarov











So weit

So weit,
so weit trennt uns die Zeit
und jedes Stückchen Zweisamkeit -
mit dir allein.
Du bist nicht echt,
du bist nicht echt, nur Trug und Schein.

So weit,
so weit die Wege gehen,
werden wir uns wieder sehen,
Einsamkeit.
Mein rechter Platz,
mein rechter Platz ist stets bereit.

So weit,
so weit bleibt alles anders
und Liebe braucht keinen Anlass,
nur viel Zeit.
Verstehst du mich?
Verstehst du mich? Ich bin so weit.

(c) Artem Zolotarov

Montag, 9. Juli 2012

Dichterhain: DREI WORTE von Artem Zolotarov


Drei Worte

Drei Worte -
Sag sie! Sag sie laut!
Ich frage nicht nach dir.
Drei Worte -
Wag' sie! Wag' sie laut!
Ich frage nicht nach dir.
Der Kaffee kocht, die Lampe brennt
und Zucker steht bereit.
Hinter der Scheibe wacht die Nacht
und eine Motte schreit.
Sie schreit nach Licht,
nach Leidenschaft,
der Lampe, die sie liebt.
Flöge sie rein und küsste sie,
der Todeskuss ihr blieb'.

Drei Worte -
Sag sie! Sag sie laut!
Ich frage nicht nach dir.
So leise trennt uns nun Nacht,
kein Licht, zu dem ich flieg.

(c) Artem Zolotarov