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Mittwoch, 28. Januar 2015

Am Samstag im Pfalztheater Kaiserslautern: Die letzten Tage der Menschheit

So sahen Die letzten Tage von Christian Michelides am Burgtheater Wien aus. 

Die letzten Tage der Menschheit 

Tragödie von Karl Kraus       

Besetzung: 

Oliver Burkia

Richard Erben
Rainer Furch
Manuel Klein
Jan Henning Kraus
Daniel Mutlu
Elif Esmen
Hannelore Bähr
Susanne Ruppik
Barbara Seeliger
Thomas Kollhoff

Premiere 31|01|2015 | Großes Haus

Inszenierung: Dominik von Gunten

Eine monumentale Theatercollage zu 100 Jahren Erster Weltkrieg.

„Die Aufführung des Dramas, dessen Umfang nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht. Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten. Denn es ist Blut von ihrem Blute und der Inhalt ist von dem Inhalt der unwirklichen, undenkbaren, keinem wachen Sinn erreichbaren, keiner Erinnerung zugänglichen und nur in blutigem Traum verwahrten Jahre, da Operettenfiguren die Tragödie der Menschheit spielten. Die Handlung, in hundert Szenen und Höllen führend, ist unmöglich, zerklüftet, heldenlos wie jene.“
So beginnt das Vorwort des Autors zu seinem Epos „Die letzten Tage der Menschheit“. Das Stück ist eine atemberaubende Collage, zusammengestellt aus authentischen Gesprächsfetzen kurz vor und während des Ersten Weltkrieges, die klarer als jede Analyse verdeutlichen, warum die Welt von gestern untergehen und einer weniger menschlichen Epoche weichen musste, und wie Europa seine Menschlichkeit leichtfertig preisgab.
Wie kaum ein anderer hat Karl Kraus es verstanden, seiner scharfen Gesellschaftskritik und seiner eindringlichen Warnung vor dem Krieg die Form einer vor Witz und Sarkasmus funkelnden monumentalen Satire zu geben.
Am Pfalztheater wird „Die letzten Tage der Menschheit“ in einer eigenen Fassung auf der Bühne zu sehen sein.


Extra: „Die letzten Tage der Menschheit“ – Ganz nah dran

Im Rahmen der neuen Schauspielproduktion „Die letzten Tage der Menschheit“, Tragödie von Karl Kraus, wagt das Pfalztheater ein Experiment: Die lose zusammenhängenden Szenen als Reaktion auf die unermessliche Katastrophe des Ersten Weltkriegs können mit Beginn der Premiere und zu allen weiteren Vorstellungen von 14 Zuschauern auf der Bühne verfolgt werden. Dazu steht im leicht abgesenkten Orchestergraben eine eigene Stuhlreihe zur Verfügung. So besteht die Möglichkeit, das Geschehen auf der Bühne noch intensiver und die Schauspieler hautnah bei ihrer Arbeit zu erleben. Die Plätze in der „Zuschauerfront“ sind kein Bestandteil der Handlung, der Abend ist „gefahrlos“ zu genießen. 


31|01|2015Sa19:30 Uhr
03|02|2015Di19:30 Uhr
07|02|2015Sa19:30 Uhr
13|02|2015Fr19:30 Uhr
18|02|2015Mi19:30 Uhr
06|03|2015Fr19:30 Uhr
29|03|2015So18:00 Uhr
26|04|2015So15:00 Uhr

Vorwort von Karl Kraus zu seinem Bühnenwerk

"Die Aufführung des Dramas, dessen Umfang nach irdischem Zeitmaß etwa zehn Abende umfassen würde, ist einem Marstheater zugedacht. Theatergänger dieser Welt vermöchten ihm nicht standzuhalten. Denn es ist Blut von ihrem Blute und der Inhalt ist von dem Inhalt der unwirklichen, undenkbaren, keinem wachen Sinn erreichbaren, keiner Erinnerung zugänglichen und nur in blutigem Traum verwahrten Jahre, da Operettenfiguren die Tragödie der Menschheit spielten. Die Handlung, in hundert Szenen und Höllen führend, ist unmöglich, zerklüftet, heldenlos wie jene. Der Humor ist nur der Selbstvorwurf eines, der nicht wahnsinnig wurde bei dem Gedanken, mit heilem Hirn die Zeugenschaft dieser Zeitdinge bestanden zu haben. Außer ihm, der die Schmach solchen Anteils einer Nachwelt preisgibt, hat kein anderer ein Recht auf diesen Humor. Die Mitwelt, die geduldet hat, daß die Dinge geschehen, die hier aufgeschrieben sind, stelle das Recht, zu lachen, hinter die Pflicht, zu weinen. Die unwahrscheinlichsten Taten, die hier gemeldet werden, sind wirklich geschehen; ich habe gemalt, was sie nur taten. Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate. Sätze, deren Wahnwitz unverlierbar dem Ohr eingeschrieben ist, wachsen zur Lebensmusik. Das Dokument ist Figur; Berichte erstehen als Gestalten, Gestalten verenden als Leitartikel; das Feuilleton bekam einen Mund, der es monologisch von sich gibt; Phrasen stehen auf zwei Beinen – Menschen behielten nur eines. Tonfälle rasen und rasseln durch die Zeit und schwellen zum Choral der unheiligen Handlung. Leute, die unter der Menschheit gelebt und sie überlebt haben, sind als Täter und Sprecher einer Gegenwart, die nicht Fleisch, doch Blut, nicht Blut, doch Tinte hat, zu Schatten und Marionetten abgezogen und auf die Formel ihrer tätigen Wesenlosigkeit gebracht. Larven und Lemuren, Masken des tragischen Karnevals, haben lebende Namen, weil dies so sein muß und weil eben in dieser vom Zufall bedingten Zeitlichkeit nichts zufällig ist. Das gibt keinem das Recht, es für eine lokale Angelegenheit zu halten. Auch Vorgänge an der Sirk-Ecke sind von einem kosmischen Punkt regiert. Wer schwache Nerven hat, wenn auch genug starke, die Zeit zu ertragen, entferne sich von dem Spiel. Es ist nicht zu erwarten, daß eine Gegenwart, in der es sein konnte, das wortgewordene Grauen für etwas anderes nehme als für einen Spaß, zumal dort, wo es ihr aus der anheimelnden Niederung der grausigsten Dialekte wiedertönt, und das eben Erlebte, Überlebte für etwas anderes als Erfindung. Für eine, deren Stoff sie verpönt. Denn über alle Schmach des Krieges geht die der Menschen, von ihm nichts mehr wissen zu wollen, indem sie zwar ertragen, daß er ist, aber nicht, daß er war. Die ihn überlebt haben, ihnen hat er sich überlebt, und gehen zwar die Masken durch den Aschermittwoch, so wollen sie doch nicht aneinander erinnert sein. Wie tief begreiflich die Ernüchterung einer Epoche, die, niemals ein Erlebnisses und keiner Vorstellung des Erlebten fähig, selbst von ihrem Zusammenbruch nicht zu erschüttern ist, von der Sühne so wenig spürt wie von der Tat, aber doch Selbstbewahrung genug hat, sich vor dem Phonographen ihrer heroischen Melodien die Ohren zuzuhalten, und genug Selbstaufopferung, um sie gegebenenfalls wieder anzustimmen. Denn daß Krieg sein wird, erscheint denen am wenigsten unfaßbar, welchen die Parole »Jetzt ist Krieg« jede Ehrlosigkeit ermöglicht und gedeckt hat, aber die Mahnung »Jetzt war Krieg!« die wohlverdiente Ruhe der Überlebenden stört. Sie haben den Weltmarkt – das Ziel, zu dem sie geboren wurden – in der Ritterrüstung zu erobern gewähnt; sie müssen mit dem schlechteren Geschäft vorlieb nehmen, sie auf dem Trödelmarkt zu verkaufen. In solcher Stimmung rede ihnen einer vom Krieg! Und es mag zu befürchten sein, daß noch eine Zukunft, die den Lenden einer so wüsten Gegenwart entsprossen ist, trotz größerer Distanz der größeren Kraft des Begreifens entbehre. Dennoch muß ein so restloses Schuldbekenntnis, dieser Menschheit anzugehören, irgendwo willkommen und irgendeinmal von Nutzen sein. Und »weil noch die Gemüter der Menschen wild sind«, sei, zum Hochgericht auf Trümmern, Horatios Botschaft an den Erneuerer bestellt:

Und laßt der Welt, die noch nicht weiß, mich sagen,
Wie alles dies geschah; so sollt ihr hören
Von Taten, fleischlich, blutig, unnatürlich,
Zufälligen Gerichten, blindem Mord;
Von Toden, durch Gewalt und List bewirkt,
Und Planen, die verfehlt, zurückgefallen
Auf der Erfinder Haupt: dies alles kann ich
Mit Wahrheit melden."