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Donnerstag, 12. Oktober 2017

Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern: „Ohne Schlüssel und Schloss? Chancen und Risiken von Big Data“

Keuschheitsgürtel aus dem 19. Jahrhundert
(Foto und © Schell Collection, Graz)



Ohne Schlüssel und Schloss? – Chancen und Risiken von Big Data
Ausstellungseröffnung im mpk

Wer je in einer vollbesetzten U-Bahn beobachtet hat, wie alle Mitfahrenden in ihre jeweiligen technischen Geräte vertieft sind, kann sich des Verdachts nicht erwehren, es handele sich um eine kulturelle Fetischisierung, der wir als gesamte Gesellschaft anheimgefallen sind. Fetische, das hat der Kulturtheoretiker Hartmut Böhme in seiner Schrift „Fetischismus und Kultur“ beschrieben, zeigen, was in einer Gesellschaft als Begehren oder Angst zirkuliert.

In diesem Sinn lassen sich aber nicht nur modernste IT-Geräte verstehen, sondern auch Objekte früherer Zeiten, die dazu gedient haben, Dinge vor den Blicken oder dem Gebrauch Unbefugter zu schützen. Auch an ihrer Herstellung, mechanischen Raffinesse oder bildlichen Einbindung lassen sich Wünsche, Begehren und auch Ängste ablesen, die uns Hinweise auf kulturelle Praktiken der jeweiligen Gesellschaft zu geben vermögen.

Das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk), Museumsplatz 1, zeigt vom 17. September bis 18. Februar mit der Sonderausstellung „Ohne Schlüssel und Schloss? Chancen und Risiken von Big Data“ eine groß angelegte Gegenüberstellung historischer Schlösser und Verschlussobjekte auf der einen und modernster IT-Technologie zur Datenerfassung und Codierung auf der anderen Seite. Und alles in einer Gegend, in der das Betreten von fremden Räumen einen ganz eigenen Stellenwert hat. Das Schloss als lebenswichtig für Intimität und Individualitat. Je mehr Assoziale desto mehr unerlaubte Heimsuchungen. Die kulturelle und freiheitliche Entwicklung meist am Boden, je nördlicher es wird.

Die Ausstellungsmacher präsentieren ein innovatives Ausstellungskonzept mit rund 70 Exponaten aus dem In- und Ausland und eigens für diese Schau entwickelten interaktiven Stationen.

Ziel dieser Ausstellung ist, zu zeigen, wie sich, vom Gefühl des Bewahrens und der Versicherung her, entwickelte Verschlussobjekte früherer Zeiten zutiefst menschlich präsentiert haben, um ihre jeweiligen Funktionen erfüllen zu können. Wie sie auch gestaltet sein mochten, ihre „Grenzziehung“ und damit ihr körperlicher Bezug ist auch heute noch auf einen Blick zu erfassen; das gilt für Big Data keineswegs, denn beim Digitalen handelt es sich um Serviceleistungen, die wir selten unmittelbar verstehen können.

Zu den klassischen Exponaten dieser Ausstellung zählen nicht allein in faszinierender handwerklicher Präzision hergestellte Schlüssel und Schlösser, vielmehr wird ein Bogen gespannt von mittelalterlichen Minnekästchen und Buchkassetten über verschließbare Gefäße für heilige oder medizinische Ingredienzien, von Briefladen, Zunft- und Reisetruhen bis hin zum Keuschheitsgürtel und Sargschlüssel des 19. Jahrhunderts. Möbel mit Geheimfächern konnten Politik beeinflussen, wie der Sekretär, der als „corpus delicti“ am Ablauf der so genannten „Spiegel-Affäre“ von 1962 beteiligt war oder wie es die Enigma im Krieg mit ihrer Verschlüsselungstechnik tat.

Und heute? Mit welcher Wertschätzung und Achtsamkeit behandeln wir heute unsere für schützenswert befundenen kleineren und größeren Geheimnisse? Sind uns Rückzugsräume und Privatsphäre noch genauso wichtig wie ehemals? Oder geben wir sie nicht geradezu gerne auf, um dafür wahlweise entweder größeren Komfort und Bequemlichkeit und/oder eine Verbesserung unserer Leistungen und Performances erzielen zu können?

Um das vielfältige Erfassen unserer Daten im Alltag sichtbar werden zu lassen, haben unterschiedliche Forschungsinstitute (Technische Universität Kaiserslautern, Deutsches Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz, Universität Stuttgart, Fraunhofer IESE) eigens für diese Ausstellung interaktive Stationen entwickelt. Dazu gibt es während des gesamten Aus-stellungszeitraums großzügig zur Verfügung gestellte IT-Technologie von Firmen, die ihren Sitz größtenteils in Kaiserslautern haben. Besucher und Besucherinnen sehen und erleben diese Objekte nicht nur, sondern bewegen sich mit den Ausstellungsstücken, die sie nutzen und gebrauchen durch die Räume.

Doch was geschieht, wenn der eigene Museumsbesuch in einen Score einfließt, der unser Verhalten während des Rundgangs bewertet? Eine vom DFKI Kaiserslautern programmierte App provoziert auch solche Fragen nach Screens, Scores und Rankings. Automatisch erkennt die intelligible Software Besucherpositionen; sie spielt in Echtzeit Informationen zum Aus-stellungsstück auf das Display des eigenen Smartphones. Zudem erhält man mit der App Rabatte auf den Eintritt und Empfehlungen für den Ausstellungsrundgang. Allerdings sind diese Serviceleistungen – wie auch sonst in der Welt des Internets – nicht folgenlos: Das spüren die Besucher gegen Ende ihres Rundgangs, wenn sie bemerken, wie sehr sie Teil der Ausstellung, ihrer Regeln und Bedingungen geworden sind.