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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Dichterhain, Bände 5 bis 8

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Sonntag, 11. Oktober 2015

Wie war's bei FILIPPA GOJO QUARTETT in der Mannheimer Klapsmühl?


(c) Stefan Vieregg

Filippa Gojo ist keine Brasilianerin, sondern eine Bregenzerin. Geboren in dieser wunderschönen Landschaft am Fuße des Pfänders mit all den kulturellen und touristischen Möglichkeiten, die Besucher lieben (z.B. den anspruchsvollen Bregenzer Festspielen), hat sie  mit frisch 27, ihrem Quartett und dem Master der Hochschule für Musik und Tanz in Köln in der Tasche, auch den NEUEN DEUTSCHEN JAZZPREIS 2015 für Band und für Solisten zugesprochen bekommen. ENJOY JAZZ hat sie eingeladen.

Am Freitagabend, den 09.10.15, stellte die Sängerin, Komponistin und Gesangspädagogin in der Mannheimer Klapsmühl unter Beweis, dass sie weit über 60 Minuten anspruchsvolles Programm und Repertoire bieten kann, ohne an Grenzen anzugelangen. Gemeinsam mit Sebastian Scobel am Klavier, David Andres am Kontrabass und Lukas Meile (Percussion) bot das Filippa Quartett sehr unterschiedliche Stücke, teils aus eigener Feder, teils gecovert und natürlich kunstvoll verändert. Ihre Lieder zeigten die Vorliebe für poetische brasilianische Texte und Musik, mit dabei zum Einstieg Zitate aus der Nationalhymne, 1822 komponiert von Francisco Manuel da Silva (1795–1865), und ab 1909 mit dem Text von Estrada gesungen.

"[Brasilien] Von Natur aus ein Gigant,
bist Du schön und stark, unerschrockener Koloss,
und in Deiner Zukunft spiegelt sich diese Größe",
so lautet eine Textstelle in der Hymne.


(c) Stefan Vieregg

Der Ausklang ebenfalls ein brasilianisches Lied, dieses Mal aus dem Karneval. Traurig wartet ein Verliebter auf seinen Schwarm, der nicht kommt. Er hat eigens für sie Percussion gelernt und verfeinert. Diese Vergeblichkeit und Vergänglichkeit ist auch ein Thema, das immer wieder bei Stücken mitschwingt. Die Zeit, die nicht aufzuhalten ist, huscht vorbei in TRAIN OF THOUGHT entlang eines Zeitstrahles und wird kontrastiert in RUSH HOUR. Hier stehen das Hektische und (nicht) nützlicher Stress des aktuellen (Kommunikations-)Alltags, man denke an Mailen, Chatten, Whappen, Vipern, Simsen, Facebooken, der beruhigenden Stimmung aus der Kindheit gegenüber. Im Walzertakt lässt sich das Chaotische abschütteln, aber nur für eine gewisse Zeit. Die Wiederkunft ist sicher. Auffallend miteilend und als gekonnter Hektikproduzent neben Voice, Bass und Percussion Sebastian Scobel am E-Piano. In dem wunderschönen Song MY WATER erlebt sie sich selbst als Wasser eines Baches vom ruhigen Dahinplätschern bis zur starken Verwirbelung an der Mündung, lyrisch und treffend eingefangen durch Rhythmus, Geschwindigkeit, Musik und Gesang. Formelhaft mit starker Stimme wiederholt "My water is still going, (....) is still my water..." steigert sich alles bis zum Einswerden mit den unendlichen Wassermassen. Filippa Gojos Singkunst zeigt große Bandbreite, sie huscht die Jazztonleitern rauf und runter, zeigt Ausdruckskompetenz und starkes Engagement.

Ruhig und poetisch F. Gojos eigenes Lied SEHNSUCHT, das diesen schönwettrigen Bodensee im Sonnenlicht, seine Orte und Nischen, aber auch seinen nebelverhangenen Geheimnischarakter schwermütig und heiter zugleich besingt.

Das Quartett pflegt die erwähnte Internationalität im Klang und in der Empfindung durch Einsatz ungewöhnlicher Instrumente und Mischung ähnlich gelagerter Empfindungen in den beiden Großkulturen Europa und Lateinamerika. Ist es bei GANL, einem Lied des Vorarlbergers Ulrich Gabriel (1947) die Jazzstimme, die den Zauber der Vorarlberger Landschaft in einer nächtlichen Spiegelung des Mondes in einem Bach lyrisch und getragen festhält, trägt das Quartett die Jazzstimme bei DER GELBE VOGEL (bras. Titel übersetzt) zum bezaubernden Märchenglück, als Prinz entdeckt zu werden. Es besteht eine deutliche Parallele zum Froschkönig.

Die Taschenorgel zu Beginn verbreitet eine zauberhaft mittelalterlich-volkstümliche Stimmung, die Jahrhunderteschritte impliziert. Bei LAZY AFTERNOON, einem Klassiker der Liederwelt, setzt Filippa zur Stimme eine Art Zither mit Steeldrumsound ein, eventuell mit tibetischem Ursprung. Ein kleines Handzupfinstrument auf Tambourinbasis bringt eine sehr schöne Begleitung zu Joni Mitchells WOODSTOCK. Die Kanadierin hielt ihren Nichtbesuch des Festivals in diesem Song fest. 


(c) Stefan Vieregg

Bei DIE VERWIRRUNG (übersetzt, eigentlich Confusão) verwendet sie ein Megafon, das sie mit erstaunlichem Ergebnis wie eine Stimmsordine zur Veränderung, Verzerrung und Verfremdung der Stimme einsetzt. Hier, dem vierten Lied des Abends, reißt sie die Schranken erst einmal ein, tobt sich mit wilden Jazztonbögen aus, integriert ein Wiehern genauso wie Experimentalklänge.

Zwischen diesen Kulturkreis-, Stimmungs- und Leidenschaftspolen kam ein überzeugendes Programm zur Darbietung, das noch viel Platz für Weiteres bietet, voll ist mit Experimentierlust an Innovativem und Kreativem, und insgesamt sehr gefällt.

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