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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Freitag, 24. Juli 2015

Wie war's bei EIN MASKENBALL von Guiseppe Verdi in Saarbrücken?

Ein sehr spannendes und ebenso inszeniertes Opernereignis in Saarbrücken ist noch diesen Samstag, den 25.07.2015, im Staatstheater zu sehen, bevor die Sommerpause eintritt: EIN MASKENBALL von Guiseppe Verdi, im Orginal UN BALLO IN MASCHERA.

Das Libretto stammt von Antonio Somma nach dem Drama "Gustave III. ou le bal masqué" von Eugène Scribe. Nahe am Original - mit sehr wenig Regieverfremdungen (z.B. zu moderne Pistolen, der Graf und Page Oscar auf dem Maskenball amerikanisch in der Moderne mit weißem Cocktailsmoking und Frack gekleidet, Taschenlampen auf dem Galgenberg als gelungene Publikumsirritation "Habt ihr nicht auch so ein Problem?") inszenierte Tom Ryser überzeugend mit einem überdimensionalen Porträt vom Grafen Riccardo an der Rückwand und vielen anderen historischen Ausschmückungen im prunkvollen, geheimnisvollen unmd mystischen, dennoch klarkonturierten Bühnenbild von Stefan Rieckhoff sowie der choreografischen Leistung von Lillian Stillwell das Drama um eine Frau zwischen zwei Männern, einer ihr Ehemann, der andere verliebt, voller Ungestüm und Landesfürst.

In einer Prophezeiung durch die verfolgte Wahrsagerin Ulrica, hervorragend verkörpert durch Romina Boscolo (sehr auffällige Modulations- und Stimmrange, Contralto), ein Medium zwischen den Welten und fähig zur Weissagung durch dämonische Unterstützung, wird klar, wie das Ende des Grafen Riccardo aussieht. So wird aus einem rasenden Ehemann ein "Königsmörder", was gerade in der Erscheinungszeit des Stückes brisant war. Das historische und geografische Spielumfeld wird kaum wirklich wahrgenommen, EIN MASKENBALL könnte an jedem Spielort der Welt stattfinden. Das mehrmalige Passierenlassen des Chores auf der Drehscheibe nimmt dem Stück gleich zu Anfang die Steifheit der reinen Stehpositionen, es wird sogar die Assoziation zu einem Karussell und einer Wiederholung in der Geschichte spürbar. Die Oper bleibt in der Tradition der Illusionsbühne, auch das nächtliche Treiben der Ulrica oder der Galgenberg sind geschlossene Räume mit tiefhängendem Nachthimmel. Beim Maskenball schließlich erweitert sich alles in die Tiefe zu mehreren Räumen, wie es Verdi auch vorsah.

Politisch in das Kreuzfeuer der staatlichen und klerikalen Zensoren geraten, hatte Verdi zunächst Probleme, sein Stück aufzuführen. Der Librettist Somma selbst 10 Jahre zuvor an einem Aufstand gegen die österreichischen Herrscher beteiligt, stand bereits unter polizeilicher Beobachtung. Ferner war ein zurückliegendes Attentat auf den König von Neapel und auf Napoelon III. im Januar 1858 Anlass für die Behörden, starke Veränderungen der Oper zu verlangen, was in Pro-Verdi-Demonstrationen und -Tumulten endete, und schließlich in einer totalen Aufführungsablehnung in Neapel endete. Bevor es am 17. Februar 1859 im Teatro Apollo in Rom zur Uraufführung kam, mussten auch noch die päpstlichen Zensoren gehört werden, die Verdi dazu brachten, das Geschehen in die USA zu verlegen (Boston) und die Personen umzubenennen. Inwieweit Amelia sittlich reingewaschen sein musste, ist mir nicht bekannt. So war auch vom historischen Fall in Scribes Drama, der Ermordung des schwedischen Gustav III. durch den maskierten Grafen Anckarström 1792 kaum noch etwas zu erkennen.

Was sich hier trifft sind verschiedene interessante Themenbereiche. Einerseits der gutmütige und edle Herrscher (sehr überzeugend James Lee blondiert), der keinen Krieg, aber Gerechtigkeit will, der sich in die Frau eines seiner Offiziere verliebt und dennoch Haltung und Anstand bewahrt. Wegen seiner Schwäche und Gutheit bestehen Verschwörungstendenzen, nicht wegen einer Tyrannei.
Der Graf muss den Tod finden durch einen eifersüchtigen Ehemann (wild entschlossener und leidender James Bobby), der nicht nur die Befleckung seiner reinen Frau fürchtet, sondern vor allem seine Entblößung als gehörnter Ehemann. Das Lachen und Gemunkel in der Stadt, das ihm seinen Soldaten in Aussicht stellen, nachdem sie ein Rendez-vous des Grafen mit seiner Ehefrau Amelia (Susanne Braunsteffer mit hervorragender Sopranstimme) auffliegen lassen und die verhüllte Schönheit sich zu erkennen gibt, um kein Blutbad zwischen ihrem Mann und einem anderen Offizier entstehen zu lassen, ist ihm noch genug Schmach und Grund, seine Ehefrau nachhaltig zu rächen. Bei der illegalen Liaison wurde nebenbei bemerkt kein Ehebruch durch "Beischlaf" verübt, wie der sterbende Graf am Ende beteuert. Was auch seinen Vollstrecker erschüttert, ohne Grund, blind vor Hass getötet zu haben. Der hat sich im Zuge seiner Rache- und Mordpläne auch durch Verschwörer vereinnahmen lassen, die bereits zu Beginn aufgetaucht waren und genau auf ihn gewartet hatten, womit wir den "Königsmord" wieder dabei haben.
Amelia ist die Frau zwischen zwei dominanten Männern, der eine ihr Herrscher und Vorgesetzter ihres Mannes, den sie auch liebt, was ihr aber auch keine Ruhe gibt. Sie will sich "den aus dem Herzen reißen, der sie bedrängt", unschwer der Graf darin zu erkennen. Das Kraut vom Galgenberg, das ihr Ulrica empfiehlt, soll ihre Liebe abtöten, denn es steht in tiefer Verbundenheit mit dem Tod. Als Riccardo dort auftaucht, singt sie: "Ich bin das Opfer, das seufzt ... rettet wenigstens meinen Namen." Sie macht ihm klar, dass sie vergeben ist. Der andere auch ein Mann, den sie liebt, Vater ihres einzigen Sohnes, der sie beinahe nach der Aufdeckung der (platonischen) Liaison mit Riccardo zu Hause erschießen will, wäre nicht ihre Bitte, den Sohn noch zu sehen. Die Einladung des Pagen Oscar zum Maskenball setzt auch ein Ende der Bedrohung. Dafür muss sie das Los ziehen, wer der drei Verschwörer den Grafen erschießen soll. Sie zieht ihren Mann. Und leidet erneut unter der Bedrohung Riccardos, was sie zu einer direkten, aber anonymen Warnung auf dem Maskenball bringt, aber zu spät!
Eine vierte Schiene öffnet sich mit der Verfolgung der Weissagerin Ulrica, die hier klar Hexenfunktion hat, und von Verdi auch schwer vom Reich der Finsternis vereinbart gezeigt wird. Romina Boscola mit Grazie und finsterer Anmut absolut der Mittelpunkt des Geschehens in Weinrot. Zu Beginn bereits fordert der Oberrichter die Verbannung Ulricas von Riccardo, der das aber nicht will. Er schützt sie sogar. Seine weiche Seite der Regentschaft bringt ihn auf Umwegen mit der Prophezeiung seines Todes in Verbindung, denn die Volksbelustigung, die Weissagungen der Ulrica als Vergnügen zu betrachten und auch zu manipulieren, sie dadurch aber auch zu entlasten, bringt das Verdische Schicksal zum Zubeißen, es rächt sich am Graf. Die Schicksalhaftigkeit wird aber mit spürbarer anarchistischer Ader des Komponisten und seines Librettisten nicht durch eine "göttliche" Figur verkörpert, wie ein Herrscher es wäre, sondern vermittelt durch den Gegner, den Teufel, die Dämonen, ein besessener, sonst redlicher Ehemann, der sich und Frau entehrt sieht. Damit wird auch die Verruchtheit des Mordes an einem guten, nur scheinbar unmoralischem Herrscher (er betont seine reine Liebe durch die ganze Oper hindurch) zu einer bösen Tat, die wiederum dann aus finsterer Eifersucht und Blindheit geschah. Andersrum sähe der Sachverhalt anders aus! Ein Tyrann wäre zu Recht beseitigt worden. Verdi hat so den Königsmord als schändlich dargestellt, was die Zensurhürden sicher besser genommen hatte.

Die Sprache der Oper ist sehr romantisch, emotional, verspielt, schwelgend, aber auch direkt und heroisch. Wunderschöne helle, lebens- und liebesbejahende Formulierungen stehen neben schweren, esoterisch-mystischen und parapsychologischen Bildern. Verdi verwendet durchgängig die Kommentatorfunktion des Chores oder der Figuren selbst, die ihre Entscheidung, ihren Zustand oder ihre Zukunft oder die anderer deutlich machen. In vielen Wiederholungen wird der Status Quo der Handlung zementiert oder die Zukunft angekündigt. Ein sehr sehenswertes Ereignis, sicher bald wieder als Neuauflage...

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