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Mittwoch, 30. April 2014

Fantasien zur Nacht: GAMIANI, Kap. 2.1, von Alfred de Musset


                                 Alfred de Musset: Gamiani

2 Die zweite Nacht 


Fanny war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannys Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannys Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennengelernt hatte. Sie hatte mir geschworen, Gamiani niemals wiedersehen zu wollen; aber ihr Eid vermochte nicht den Wunsch zu ersticken, den sie im Geheimen hegte. Vergebens kämpfte sie dagegen an; der innere Kampf regte sie nur immer mehr auf. Bald sah ich ein, daß sie ihrer Leidenschaft nicht würde widerstehen können. Ich hatte ihr Vertrauen verloren und war gezwungen, mich zu verstecken, um sie zu beobachten.
Durch eine geschickt angebrachte Öffnung konnte ich sie jeden Abend sehen, wenn sie zu Bett ging. Die Unglückliche! Oft sah ich sie weinend sich auf den Diwan werfen, sich verzweifelt hin und her wälzen, plötzlich ihre Kleider sich vom Leibe reißen, ihr Hemd zerfetzen und sich mit weit aufgerissenen Wahnsinnsaugen vor einen Spiegel stellen. Sie streichelte ihre Haut, sie schlug ihren Leib, sie suchte mit sinnloser, brutaler Heftigkeit wollüstige Gefühle zu erregen. Zu heilen war sie nicht mehr; aber ich wollte sehen, wie weit das Delirium ihrer Sinne gehen würde.
Eines Abends war ich wieder auf meinem Posten; Fanny war im Begriff, zu Bett zu gehen, da hörte ich sie plötzlich rufen.
Fanny: Wer ist da? Sind Sie's, Angelique?... Gamiani! O Frau Gräfin, niemals hätte ich...
Gamiani: Ei ja, du fliehst vor mir, du stößt mich zurück. So mußte ich zu einer List meine Zuflucht nehmen. Ich habe durch falsche Vorspiegelungen alle deine Leute entfernt – und hier bin ich.
Fanny: Ich kann Sie nicht begreifen, noch weniger vermag ich Ihre hartnäckige Verfolgung mit dem richtigen Namen zu bezeichnen. Es ist wahr – ich habe geheimgehalten, was ich von Ihnen wußte; aber meine formelle Weigerung, Sie bei mir zu empfangen, mußte Ihnen doch deutlich genug sagen, daß Ihre Gegenwart mir lästig, ja widerwärtig ist. Ich verabscheue Sie. Um Gottes willen, lassen Sie mich in Ruhe. Gehen Sie, damit es nicht zu einem Skandal kommt!
Gamiani: Meine Maßregeln sind getroffen, mein Entschluß steht fest. Du wirst ihn nicht umstoßen, Fanny. Ah! meine Geduld war erschöpft!
Fanny: Nun? Was wollen Sie denn? Mich noch einmal vergewaltigen, notzüchtigen, besudeln? O nein, Frau Gräfin!... Entfernen Sie sich, oder ich rufe meine Leute.
Gamiani: Kind, wir sind allein! Die Türen sind verschlossen; die Schlüssel hab' ich zum Fenster hinausgeworfen. Du bist mein!... Aber beruhige dich, sei ohne Furcht!
Fanny: Bei Gott im Himmel! Rühren Sie mich nicht an!
Gamiani: Fanny – jeder Widerstand ist vergeblich. Du mußt auf alle Fälle unterliegen – ich bin stärker als du, und mich beseelt die heißeste Leidenschaft. Auch ein Mann würde mich nicht besiegen. Also... o mein Gott! sie erbleicht... sie zittert... Mein Gott! Fanny, meine Fanny! Ihr wird übel! O was hab' ich getan! Komm zu dir – komm doch zu dir! Sei nicht böse, wenn ich dich so an mich presse – ich tu's aus Liebe. O wie lieb ich dich, du mein Leben, du meine Seele! Kannst du mich denn gar nicht verstehen? Sag', ich bin doch nicht böse! Meine Kleine! Mein Herzblatt! Nein, ich bin gut. O! so sehr gut – denn ich liebe dich ja. Sieh mir in die Augen! Fühle, wie mein Herz schlägt. Für dich schlägt's, für dich allein! Ich will ja nichts weiter, als daß du in meinen Armen Seligkeit, wonnigen Rausch findest. Komm doch zu dir! Laß meine Küsse dich erwecken. O, ich vergöttere dich, abgöttisch bis zum Wahnsinn bete ich dich an, süßes Kind...
Fanny: Sie töten mich! Mein Gott, lassen Sie mich doch endlich los! Sie sind abscheulich!
Gamiani: Abscheulich? Abscheulich? Wie kann ich dir solchen Abscheu einflößen! Bin ich denn nicht noch jung? Bin ich nicht auch schön? Überall sagt man's mir. Und mein Herz? Gibt's ein Herz, das so zu lieben weiß? Ist denn dies Feuer, das mich verbrennt, das mich verzehrt, dieses glühende Feuer Italiens, das meine Sinne vervielfältigt und mich triumphieren läßt, wo alle anderen unterliegen – ist dieses Feuer wirklich so etwas Abscheuliches? Sprich! Was ist ein Mann, ein Geliebter im Vergleich mit mir! Zwei oder drei Liebeskämpfe, und er liegt matt auf dem Rücken; nach dem vierten stößt er ein impotentes Röcheln aus, seine Glieder zucken in Krämpfen, 's ist jämmerlich! Aber ich – ich bleibe stark, ungebändigt, lustzitternd. Ja! Ich bin die verkörperte heiße Liebesbrunst des Fleisches. Unerbittlich in meiner Wollust gebe ich die Wonne ohne Ende; ich bin die Liebe, die der Tod ist!
Fanny: Halten Sie ein, Gamiani! Halten Sie ein!
Gamiani: Nein, nein! Höre mich weiter! Höre mich, Fanny! Nackt sich in den Armen liegen -zwei Freundinnen, jung, schön, lieblich, duftend, von Liebe glühend, vor Wonne zitternd, sich berühren, sich verschlingen, Leiber und Seelen in einem Seufzer, in einem einzigen Laut, in einem Aufschrei der Liebe vereinigen – das, Fanny, Fanny – das ist Himmelswonne.
Fanny: Diese Worte – diese Blicke! Und ich – ich höre Ihnen zu, ich blicke Sie an! – O haben Sie Erbarmen mit mir! Ich bin so schwach... Sie bezaubern mich... Was für eine Zauberkraft hast du denn an dir? Ich fühle dich in meinem Fleisch... ich fühle dich in meinen Knochen... Du bist ein Gift. O! Ja, du bist entsetzlich, und... und... ich liebe dich!
Gamiani: »Ich liebe dich... ich liebe dich!« O, sag's noch einmal, noch einmal, dieses Wort! Dieses Wort... brennt!
Bleich, unbeweglich, mit weit geöffneten Augen, mit gefalteten Händen, lag Gamiani vor Fanny auf den Knien. Sie sah aus, als habe ein Gott sie plötzlich berührt und in Marmor verwandelt. Sie sah wundervoll aus in ihrer Zerknirschung, in ihrer Verzückung.
Fanny: Ja! Ja! Ich liebe dich mit allen Kräften meines Leibes! Ich will dich haben! Ich begehre dich! O – ich werde noch den Verstand um dich verlieren.
Gamiani: Was sagst du, Herzgeliebte? Was sagst du?... Wie bin ich glücklich! Deine Haare sind schön... Wie weich sie sind! Fein, goldig. Wie Seide gleiten sie mir durch die Finger. Wie rein ist deine Stirn... Weißer als eine Lilie. Deine Augen sind schön; dein Mund ist schön. Du bist weiß, atlasweich, duftend, himmlisch vom Kopf bis zu den Füßen. Du bist ein Engel, du bist die Wollust. O, diese Schleifen, diese Bänder... sei doch nackt! Schnell zu mir! Ich, ich, ich bin schon nackt! Ah! So! so! Wundervoll! Blendend! Bleib stehen, daß ich dich bewundere. Wenn ich dich malen könnte! Wenn ich mit einem einzigen Zuge dich zeichnen könnte! Wart... ich will dir die Füße küssen... die Knie, den Busen, den Mund. Umarme mich. Drück mich an dich! Stärker! O welche Wonne, welche Lust!... Sie liebt mich!
Die beiden Leiber waren zu einem verschlungen. Nur die Köpfe hielten die beiden Schönen voneinander ab, um sich mit einem entzückenden Lächeln des Glückes bewundern zu können. Aus ihren Augen brachen Blitze, ihre Wangen glühten feuerrot. Ihre Lippen bebten und küßten sich dann wieder in stürmischer Glut. Ich hörte einen Seufzer verhauchen, dem ein Seufzer antwortete. Dann hörte ich einen erstickten Schrei, und regungslos hielten sie sich umschlungen.
Fanny: Ich war glücklich – sehr glücklich.
Gamiani: Ich auch, meine süße Fanny. Und es war ein Glück, wie ich's nie zuvor gekannt. Unsere Seelen und unsere Sinne waren vereint auf deinen Lippen... Und nun, in dein Bett! Diese Nacht wollen wir uns in Liebe berauschen!
Eng umschlungen eilen sie nach dem Alkoven. Fanny wirft sich aufs Bett, streckt wollüstig ihre schönen Glieder aus. Gamiani kniet vor dem Bett auf einem Teppich, zieht Fanny an ihren Busen und umschlingt sie mit ihren Armen.
Schweigend, schmachtend sieht sie sie an. Bald beginnen ihre Liebesspiele von neuem. Kuß folgt auf Kuß, geschäftig eilen die kundigen Hände hin und her. Aus Fannys Augen spricht Sehnsucht und Erwartung; Gamianis Blicke aber verraten die Trunkenheit ihrer Sinne. Vom Feuer der Wollust belebt, gerötet, scheinen die beiden schönen Leiber zu funkeln. Diese in Wollust und Leidenschaft rasenden Furien umgeben ihre Ausschweifung mit einem gewissen poetischen Zauber; ihr Anblick erregt die Sinne und zugleich die Phantasie.
Vergebens rief ich meine Vernunft zu Hilfe – in wenigen Augenblicken war auch ich von meinen Begierden völlig unterjocht. Keine Möglichkeit, mich in die Liebesspiele dieser beiden nackten Schönen einzumischen! Und so glich ich dem brünstigen wilden Tier, das mit glühenden Blicken sein Weibchen verfolgt, von dem es durch die Gitterstäbe des Käfigs getrennt ist. Wie betäubt stand ich stumpfsinnig da, den Kopf an das Loch gepreßt, durch das meine Augen wahre Folterqualen einsogen – eine wahre Todesmarter, die im Kopf ihren Anfang nimmt, dann ins Blut, dann in die Knochen eindringt – bis ins Mark. Ich fühlte unerträgliche Qualen. Mir war, als könnten meine Nerven die Spannung nicht mehr aushaken – als müßten sie zerreißen. Meine Finger krallten sich in das Holzwerk der Tür ein. Ich konnte keine Luft mehr bekommen, der Schaum stand mir vor dem Mund. Mir schwand die Besinnung. Ich raste. Da packte ich zu; zwischen meinen Fingern bäumte sich meine Manneskraft – ein kurzes Zittern, und in glühendem Strahl, wie ein brennender Tau spritzte mein Leben. Befremdlicher Genuß, der schwächt, vernichtet, niederwirft. –
Als ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich kraftlos. Die Augenlider waren mir schwer. Kaum vermochte ich den Kopf hoch zu halten. Ich wollte meinen Beobachtungsposten verlassen; da hörte ich Fanny seufzen, und ich blieb. Ich war dem Teufel des Fleisches verfallen. Während meine Hände sich abmühten, meine erloschene Kraft neu zu beleben, verfolgte ich mit brennenden, schmerzenden Augen die Szene, die mich in eine so fürchterliche Aufregung versetzt hatte. Die Stellungen hatten sich geändert. Meine beiden Tribaden lagen jetzt mit verschlungenen Beinen aufeinander; sie rieben ihre dichten Vliese gegeneinander. Ihre Angriffe und Stöße wechselten sich mit einer Schnelligkeit, wie es nur möglich ist, wenn zwei Weiber sich dem Augenblick der höchsten Wonne nähern. Sie stießen mit einer Kraft, mit einer keuchenden Anstrengung, als wollten sie sich töten, vernichten.
»O, ach!« schrie Fanny; »ich kann nicht mehr! Ich bin tot. Mach allein weiter!«
»Nein! Noch mehr! Immer noch mehr!« antwortete Gamiani. »Der Augenblick des Glückes ist da! Drück doch gegen! Drücke!«
»Ich glaube, mir geht die Haut vom Leibe! Ah... jetzt... jetzt fühl ich's... ich zerfließe... Aah!...«
Fannys Kopf sank kraftlos zurück. Gamiani aber biß in die Bettücher, kaute an den aufgelösten Haaren, die sie umwogten. Ich empfand jeden ihrer Stöße, jeden ihrer Seufzer; und gleichzeitig mit ihnen gelangte auch ich abermals auf den Gipfel des Glücks.
Fanny: Wie ich müde bin! Ganz zerschmettert!... Aber welche Wonne hab' ich genossen!
Gamiani: Je größer die Mühe, desto höher ist auch der Genuß, desto länger dauert er.
Fanny: Das hab' ich an mir erfahren. Länger als fünf Minuten befand ich mich in einem berauschenden Schwindel. Die Erregung zuckte durch alle meine Glieder. Das Reiben deines Vlieses an meiner zarten Haut erzeugte in mir ein wütendes Kribbeln. Ich wälzte mich in Feuer, in Wollust. O Raserei, o Glück! Genießen! Jetzt versteh' ich dies Wort.
Aber eins erstaunt mich, Gamiani. Wie kommt es, daß du, so jung noch, solche Erfahrung in den sinnlichen Genüssen hast? Niemals wäre mir von all unseren Ausschweifungen auch nur eine einzige in den Sinn gekommen. Woher hast du deine Kenntnisse? Woher stammt deine Leidenschaft, die über mich triumphiert, die mich manchmal erschreckt? Die Natur erschafft uns doch nicht so?
Gamiani: Du willst mich also näher kennenlernen? Gut. Umschlinge mich mit deinen Armen, kreuze deine Beine mit den meinigen, drücke dich fest an mich. Ich will dir von meinem Klosterleben erzählen. Es ist eine Geschichte, die uns wohl zu Kopf steigen kann, die vielleicht neue Begierden in uns erweckt.
Fanny: Ich höre, Gamiani.
Gamiani: Du hast wohl noch nicht vergessen, welche fürchterliche Marter meine Tante mich erdulden ließ, um ihre Geilheit zu befriedigen. Als mir nach meiner Genesung die ganze Entsetzlichkeit ihrer schändlichen Aufführung zum Bewußtsein kam, bemächtigte ich mich ohne Zögern gewisser Papiere, die mir den Genuß meines Vermögens sicherstellten. Ich nahm auch Geld und Schmuck an mich und flüchtete damit, als eines Tages meine würdige Verwandte verreiste, in das Kloster der Schwestern vom »Herzen Jesu«. Die Oberin war sichtlich von meiner Jugendlichkeit und meinem schüchternen Wesen gerührt und nahm mich mit einer Herzlichkeit auf, vor welcher meine Verlegenheit und meine Angst bald verschwanden. Ich erzählte ihr, wie es mir ergangen sei, und bat sie um eine Zufluchtsstätte und um ihren Schutz. Sie nahm mich in ihre Arme, preßte mich zärtlich ans Herz und nannte mich ihre Tochter. Dann sprach sie zu mir von dem stillen friedlichen Klosterleben, schürte meinen Haß gegen die Männer zu noch helleren Flammen und schloß endlich mit einer frommen Ermahnung, in der ich die Sprache einer göttlichen Seele zu hören glaubte. Damit ich den Übergang vom weltlichen Treiben zum Klosterleben nicht so hart verspüren möchte, wurde beschlossen, daß ich bei der Oberin selber bleiben und jede Nacht in ihrem Alkoven schlafen solle. Schon in der zweiten Nacht plauderten wir miteinander, wie wenn wir die besten Freundinnen von der Welt gewesen wären. Die Oberin warf sich fortwährend in ihrem Bett hin und her, sie klagte über Kälte und bat mich schließlich, in ihr Bett zu kommen, um sie zu wärmen. Ich fand sie vollständig nackt. »Man schläft besser ohne Hemd«, sagte sie. Zugleich forderte sie mich auf, auch mein Hemd auszuziehen, und um ihr gefällig zu sein, tat ich dies.
»O liebe Kleine«, rief sie, indem sie mich streichelte, »du bist ja ganz glühend heiß! Wie weich deine Haut ist! Die Barbaren! Wie konnten sie sich erfrechen, dich so furchtbar zu martern. Du hast gewiß entsetzliche Schmerzen gehabt. Erzähle mir doch, was sie mit dir gemacht haben! Sie haben dich geschlagen, nicht wahr?« Ich wiederholte ihr meine Geschichte mit allen Einzelheiten, von denen ich die, für die sie sich besonders zu interessieren schien, recht lebhaft ausmalte. Sie hörte mir mit so außerordentlichem Vergnügen zu, daß sie von Zeit zu Zeit am ganzen Leibe erzitterte. »ArmesKind! Armes Kind!« rief sie immer wieder, indem sie mich mit aller Kraft an sich preßte. Ich weiß nicht, wie es kam – aber plötzlich lag ich auf ihr. Ihre Beine waren über meine Lenden gekreuzt, ihre Arme umschlangen mich. Eine wohlige Wärme durchdrang meinen ganzen Leib. Ich empfand ein bisher nie gekanntes köstliches Wohlgefühl, es war, wie wenn eine Art Liebessaft, weich wie Milch, sich durch meine Adern ergoß. »Wie gut Sie sind! Wie gut Sie sind!« sagte ich zu der Oberin. »Ich liebe Sie! Ich bin glücklich bei Ihnen. Ich möchte mich niemals wieder von Ihnen trennen!« Mein Mund preßte sich auf ihre Lippen, und ich wiederholte in glühender Ekstase: »O ja, ja! Ich bin zum Sterben in Sie verliebt. Ich weiß nicht wie... aber ich fühle...« Langsam liebkoste mich die Hand der Oberin. Leise bewegte sich ihr Leib unter dem meinigen. Ihre harten, dichten Schamhaare vermischten sich mit meinem Vlies, stachen in meine Haut und verursachten ein höllisches Jucken. Ich war völlig außer mir, ein Schauer durchrann mich, daß mein ganzer Körper erzitterte. Plötzlich – die Oberin gab mir einen unglaublich wollüstigen Kuß – hielt ich inne. »O mein Gott!« rief ich. »Lassen Sie mich...« Ah! Niemals hat ein reichlicherer, ein köstlicherer Erguß ein Liebesspiel gekrönt!
Als meine Ekstase sich gelegt hatte, war ich keineswegs erschöpft. Mit verdoppelter Leidenschaft stürzte ich mich auf meine erfahrene Lehrmeisterin der Liebe; ich verzehrte sie mit Küssen; ich nahm ihre Hand und führte sie mit meiner eigenen an die Stelle, die sie so heftig erregt hatte. Beim Anblick dieser Leidenschaftlichkeit verlor auch die Oberin alle Selbstbeherrschung. Sie raste wie eine Bacchantin. Und nun wetteiferten wir in glühenden Küssen, in verliebten Bissen. Welche Gelenkigkeit, welche Geschmeidigkeit in den Gliedern hatte dieses Weib! Ihr Leib zog sich zusammen, streckte sich aus, warf sich hin und her, daß ich ganz betäubt davon war. Ich konnte nicht mehr mitkommen. Kaum hatte ich Zeit, ab und zu mit einem einzigen Kuß die unzähligen zu erwidern, die ich vom Kopf bis zu den Füßen auf jede Stelle meines Leibes empfing. Es war, wie wenn sie mich vor Liebe auffressen wollte. Diese unglaublich wollüstigen Berührungen versetzten mich in einen Zustand, den ich kaum beschreiben kann. O Fanny, wärst du doch Zeugin unserer Kämpfe, unserer Siege, unserer Niederlagen gewesen! Hättest du uns zwei in unserer keuchenden Liebesraserei gesehen, du hättest begriffen, wohin sinnliche Leidenschaft zwei verliebte Weiber bringen kann. Einmal befand sich mein Kopf zufällig zwischen den Schenkeln meiner Angreiferin. Ich glaubte, ihre Wünsche zu erraten. Von Wollust fortgerissen, begann mein Mund, an ihrem zartesten Körperteil zu spielen. Aber so hatte sie es nicht gemeint. Schnell macht sie sich von mir los, gleitet unter mir hervor, spreizt mir schnell die Schenkel auseinander und greift mich unverzüglich mit ihrer Zunge an. Wie ein spitzer Dolch fährt diese schnell in mich hinein und wird ebenso schnell wieder herausgezogen. Dann schlägt sie plötzlich ihre Zähne in mein Fleisch, wie wenn sie mich zerreißen wollte. Vor wollüstigem Schmerz ganz bewußtlos, warf ich mich hin und her wie eine Besessene. Ich stieß den Kopf der Oberin zurück, ich riß sie an den Haaren. Endlich ließ sie los; und nun begann sie ein sanftes Züngeln, benetzte mich mit ihrem Speichel, knabberte an meinen Schamhaaren und an meiner Haut mit einer so zarten und zugleich so wollüstigen Raffiniertheit, daß ich bei der bloßen Rückerinnerung meinen Saft fließen fühle. – O was für Entzückungen berauschten mich! In welcher Raserei tobten meine Sinne! Ich schrie laut, warf mich zurück, bäumte mich hoch auf – und immer, immer spürte ich die spitze Pfeilzunge, die glühend in mich eindrang. Zwei schmale, feste Lippen schlossen sich um meine Klitoris, preßten sich zusammen, sogen an ihr, daß ich glaubte, ich müßte den Geist aufgeben. Nein, Fanny! Ein solches Gefühl, einen solchen Genuß kann man nur ein einziges Mal in seinem Leben haben. Diese Spannung meiner Nerven! Dieses Klopfen des Blutes in meinen Adern! Diese Glut in meinem Fleisch! Ich glühte, ich zerfloß und ich fühlte, wie ihr gieriger, unersättlicher Mund mir die Essenz meines Lebens aussaugte. Ich schwöre dir: ich war völlig ausgepumpt, und ich glaube, meine Schenkel sind von meinem Blut, von meinem Lebenssaft ganz überströmt gewesen.
Aber wie glücklich war ich auch! Fanny! Fanny! Ich hält's nicht mehr aus! Wenn ich von dieser Liebesraserei spreche, ist es mir, als fühlte ich noch immer diese beseligenden Zuckungen. Mache mich fertig!... Schneller!... Stärker!... Gut so... ah... gut... gut... so... jetzt ist genug... ich sterbe...
Fanny war ärger als eine ausgehungerte Wölfin. »Genug! genug!« wiederholte Gamiani. »Du machst mich ja tot, du Teufelsmädchen! Ich hatte nicht geglaubt, daß du so geschickt, so leidenschaftlich bist. Ich sehe, du entwickelst dich. Als ob du ganz aus Feuer wärst!«
Fanny: Kann es denn anders sein? Man müßte ja kein Blut, kein Leben in sich haben, um in deinen Armen, zwischen deinen Schenkeln gefühllos zu bleiben... Was machtest du weiter?
Gamiani: Ich hatte von meiner Freundin gelernt. Jetzt war die Reihe an mir; ich zahlte ihr ihre Liebkosungen mit Wucherzinsen zurück; ich liebte sie, küßte sie – genau so wie sie mich geküßt hatte – bis sie nicht mehr konnte.
Zimperliche Zurückhaltung gab's von nun an zwischen uns beiden nicht mehr, und bald erfuhr ich von meiner Freundin, daß die Schwestern vom »Herzen Jesu« sich untereinander einem Kultus der Sinnlichkeit hingaben, daß sie ein Haus besaßen, wo sie sich versammelten, um ihre Orgien zu feiern und sich nach Herzenslust gütlich zu tun. Dieser Hexensabbat begann unmittelbar nach dem Abendgebet und dauerte bis zur Frühmesse. Die Oberin weihte mich auch in ihre Lebensauffassung ein, und diese erfüllte mich mit einem solchen Entsetzen, daß sie mir als eine eingefleischte Teufelin erschien. Sie beruhigte mich jedoch bald durch einige Scherze und besonders durch die höchst ergötzliche Geschichte von dem Verlust ihrer Jungfernschaft. Niemals würdest du erraten, wem dieses köstliche Kleinod zuteil geworden ist. Die Geschichte ist einzig in ihrer Art und verdient, erzählt zu werden.
Die Oberin – doch ich will sie lieber von jetzt an Santa nennen – also: Santa war die Tochter eines Schiffskapitäns. Ihre Mutter war eine kluge und vernünftige Frau und hatte sie nach den Grundsätzen der heiligen Religion erzogen.
Das verhinderte aber nicht, daß das Temperament der jungen Santa sich sehr frühzeitig entwickelte. Schon als zwölfjähriges Mädchen hatte sie unwiderstehliche Begierden, die sie mit allen möglichen Hilfsmitteln, auf die nur die bizarre Phantasie eines unwissenden Kindes verfallen kann, zu befriedigen suchte.
Das arme Mädchen bearbeitete sich jede Nacht, und es fehlte nicht viel, so wäre ihrem ach so unzulänglichen Fingerspiel ihre Jugend und Gesundheit zum Opfer gefallen. Eines Tages sah sie zwei Hunde sich begatten. Mit ihrer wollüstigen Neugier beobachtete sie den ganzen Vorgang und den Anteil des männlichen und des weiblichen Partners so genau, daß sie von nun an besser begriff, woran es ihr fehlte. Aber da sie nun wissend war, waren ihre Qualen nur um so größer. Sie lebte in einem einsam gelegenen Hause, nur von alten Mägden umgeben und ohne jemals ein männliches Wesen zu sehen. Wie konnte sie da hoffen, jemals einen glühendroten, blitzschnell arbeitenden, belebten Pfeil zu finden, der sie mit solcher Bewunderung erfüllt hatte, daß sie fest überzeugt war, auch für die Frau müsse ein derartiges Werkzeug erschaffen worden sein? Diese Gedanken wollten ihr nicht mehr aus dem Kopf, und indem sie fortwährend über dasselbe Thema nachdachte, fiel ihr schließlich ein, daß von allen Geschöpfen der Affe die größte Ähnlichkeit mit dem Menschen hat. Nun besaß aber ihr Vater einen prachtvollen Orang-Utan. Sie schlich sich an dessen Käfig und sah ihn sich ganz genau an. Da sie hierzu ziemlich lange Zeit brauchte, wurde das Tier durch die Gegenwart des jungen Mädchens aufgeregt und entwickelte plötzlich die reiche Gabe, womit ihn Mutter Natur bedacht hatte. Santa frohlockte.
Endlich hatte sie gefunden, was sie jeden Tag gesucht, wovon sie jede Nacht geträumt hatte. Ihr Ideal stand als greifbare Wirklichkeit vor ihr. Und ihr Entzücken steigerte sich immer noch mehr, als sie das unnennbare Geschmeide zu einer Härte, zu einer drohenden Größe sich entwickeln sah, die ihre kühnsten Träume übertraf. Sie verschlang den Gegenstand ihrer Wünsche mit den Augen. Der Affe näherte sich den Eisenstangen seines Käfigs und nahm eine solche Stellung ein, daß er sich ihr in der vorteilhaftesten Weise präsentierte. Die gute Santa verlor nun alle Besinnung. Die Raserei ihrer Leidenschaft gab ihr übernatürliche Kräfte, und es gelang ihr, einen von den Eisenstäben zur Seite zu biegen.
Das geile Tier machte sich dies sofort zunutze. Eine Stange von mindestens acht Zoll Länge ragte aus dem Käfig hervor. Ein so unerwarteter Reichtum jagte unserer Jungfer anfangs ein bißchen Angst ein. Aber der Teufel war hinter ihr her, und sie trat dicht an den Käfig heran, um sich das Ding aus der Nähe zu betrachten. Sie nahm es in die Hand, streichelte es. Der Affe zitterte vor Wollust, daß der ganze Käfig wackelte, und schnitt fürchterliche Grimassen dazu. Santa bekam wieder Angst; sie glaubte, es mit dem Satan in höchsteigener Person zu tun zu haben. In ihrer Furcht wagte sie es nicht, weiterzugehen. Schon wollte sie sich aus dem Staube machen, doch konnte sie sich nicht enthalten, noch einen Abschiedsblick auf das glühendrote Juwel zu werfen – und mit einem Male erwachten von neuem alle ihre Begierden. Da faßte sie plötzlich Mut; mit entschlossener Miene hob sie von hinten ihre Röcke hoch und bot sich rücklings dem furchtbaren Stachel dar. Der Kampf entspann sich, Stoß folgte auf Stoß – das Tier konnte es mit jedem Mann aufnehmen. Santa war sodomisiert, entjungfert, zur Äffin gemacht! Ihre Freude, ihr Entzücken entluden sich in hundertfach variiertem Ach und O! – Aber sie wurde dabei so laut, daß ihre Mutter sie hörte. Diese eilte herbei und fand ihre Tochter in der höchsten Verzückung sich krümmend, halbtot vor Wollust.
Fanny: Der Spaß ist unbezahlbar!
Gamiani: Um das junge Mädchen vor weiteren Betätigungen seiner Affenliebe zu bewahren, sperrte man es in ein Kloster.
Fanny: Hätte man sie doch lieber allen Affen der Welt überantwortet!
Gamiani: Da hast du ganz recht – mehr, als du wohl selber denkst...
Mein Temperament fand viel Gefallen an einem Leben voller Feste und Lüste. Ich war daher mit Freuden bereit, mich in die geheimnisvollen Saturnalien der Klosterschwestern einweihen zu lassen. Das versammelte Kapitel genehmigte meine Zulassung, und zwei Tage darauf wurde ich der Versammlung vorgestellt.
Ich erschien nackt – so wollte es die Vorschrift. Ich leistete den verlangten Eid und prostituierte mich zum Schluß der Zeremonie mit einem ungeheuren hölzernen Phallus, der zu diesem Zweck aufgestellt war. Kaum hatte ich dieses schmerzvolle Opfer vollbracht, so stürzte sich die ganze Nonnenbande wie eine Horde von Kannibalen über mich her. Ich fügte mich willig jeder geschlechtlichen Laune, ich nahm aus eigenem Antrieb die wollüstigsten Stellungen ein und gab zum Schlüsse einen unanständigen Tanz zum Besten. Durch einstimmigen Zuruf wurde ich zur Siegerin erklärt. Meine Kräfte waren völlig erschöpft. Dennoch schleppte mich eine muntere, aufgeweckte kleine Nonne in ihr Bett. Sie war noch raffinierter als die Oberin; ja, wahrhaftig, sie war die verdammteste Tribade, die jemals die Hölle hervorgebracht hat. Ich entbrannte in einer rasenden fleischlichen Leidenschaft für sie, und wir waren während der großen nächtlichen Orgien fast immer zusammen.
Fanny: Wo fanden denn eure Luperkalien statt?
Gamiani: In einem großen Saal, zu dessen Ausschmückung die feinste Kunst und das höchste Raffinement der Wollust aufgeboten worden waren. Die Eingänge zu diesem Saal bildeten zwei große Türen, die nach orientalischer Weise durch goldumsäumte und mit tausend bizarren Mustern bestickte, schwere Vorhänge geschlossen waren. Die Wände waren mit dunkelblauem Samt bespannt, den ein schön geschnitzter, breiter Rahmen aus Zitronenholz umgab. In gleichen Abständen befanden sich Spiegel, die von der Decke bis zum Fußboden reichten. Bei unseren Orgien spiegelten sich die Gruppen nackter, vor Geilheit rasender Nonnen in tausendfacher Gestalt wider oder hoben sich wirkungsvoll von dem dunklen Hintergrunde ab. Kein Stuhl befand sich in dem Saal, sondern nur Sofas und Polsterkissen, die ja auch für die Wettkämpfe der Wollust, für das Einnehmen von Stellungen, die die Sinnlichkeit entflammen mußten, viel besser geeignet waren. Ein feingemusterter, köstlich weicher, doppelter Teppich bedeckte den Fußboden. Man erblickte auf diesem Teppich, in zauberischer Farbenpracht dargestellt, zwanzig Liebesgruppen in lasziven Stellungen, die die erloschenen Begierden übersättigter Teilnehmerinnen an diesen Orgien bald wieder entflammen mußten. Auch die Zimmerdecke war mit Gemälden bedeckt, die nur die ausschweifendste geschlechtliche Phantasie hatte entwerfen können. Besonders erinnere ich mich an eine vor Liebeswonne rasenden Thyade, die von einem Korybanten vergewaltigt wurde. Niemals vermochte ich dieses Bild anzusehen, ohne entflammt zu werden.
Fanny: Es muß ein entzückendes Bild gewesen sein.
Gamiani: Zu all diesem verschwenderisch angebrachten Luxus der Einrichtung kamen noch die berauschenden Düfte aller möglichen Blumen und Wohlgerüche. Im Saale herrschte eine stets gleichmäßige laue Wärme; sechs Alabasterlampen strahlten ein zärtliches, geheimnisvolles Licht aus, das sanfter war als der Widerschein des Opals. Das Ganze machte auf die Seele einen seltsamen Eindruck, der sich in Worten kaum beschreiben läßt! Man empfand unruhige Sehnsucht, man versank in eine wohlige Träumerei der Sinne. Man war im Orient, man gab sich dem verführerischen Zauber eines morgenländischen Luxus, einer morgenländischen Poesie und schmachtender Wollust hin. Man dachte an die Mysterien des Harems, an seine geheimen Wonnen, an seine liebeatmende Lässigkeit.
Fanny: Welche Wonne muß es gewesen sein, an einem solchem Ort mit einer geliebten Freundin trunkene Nächte zu verbringen!
Gamiani: Gewiß hätte die Göttin der Liebe selber mit Wonne ihren Tempel dort aufgeschlagen, hätten nicht schmutzige, lärmende Orgien allmählich eine ekelhafte Lasterhöhle daraus gemacht.

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