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Dichterhain, Bände 1 bis 4

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Sonntag, 15. April 2012

(4) Hundert Jahre Schönheitsschlaf - und seine Folgen. Ein Comedy-Märchen von Siglinde Goertz

Dornröschen reckte sich und gähnte ausgiebig. Dieser verdammte Fluch wirkte immer noch! Hundert Jahre Schlaf... und trotzdem ständig müde. Mürrisch schlug sie die Bettdecke zurück und stand auf. Wo steckte nur Kunibert? Bestimmt wieder bei Drosselbart, diesem Mistkerl.

Was für eine Ehe! Dornröschen fragte sich, warum ausgerechnet Kuni sie hatte wecken müssen. Sie schüttelte sich immer noch bei dem Gedanken an diesen feuchten Schlabberkuss. Und der Mundgeruch! Grauenhaft! Dass sie nicht gleich wieder ins Koma gefallen war, war das reinste Wunder.

Sie kratzte sich am Kopf und schlurfte ins Bad. Erst mal duschen und dann einen starken Kaffee. Vielleicht half das ja. Den Blick in den Spiegel mied sie tunlichst. Von wegen Schönheitsschlaf! Hundert Jahre – und sie sah aus, wie die Zwillingsschwester von Quasimodo. Es war zum Heulen!

Nachher würde sie mal Daisy anrufen. Jahrelang hatte man sie als das häßliche Entlein verspottet. Seit einigen Monaten war sie allerdings vollkommen verändert. Bildschön sah sie aus. Angeblich war die Veränderung ganz von selbst eingetreten, sozusagen mit dem Erwachsenwerden. Hah! Wer’s glaubt wird selig! Da hatte mit Sicherheit jemand nachgeholfen. Und sie würde schon rauskriegen, wer das war.

Dornröschen seufzte. Ach, selbst wenn sie es wüsste.. was nützte ihr das? Sie hatte eh kein Geld, um einen Schönheitschirurgen zu bezahlen. Kunibert hatte nix mit in die Ehe gebracht, außer den Klamotten, die er auf dem Leib trug. Nicht mal das Schwert konnte man noch verscherbeln, es war vom Rosen schneiden total ruiniert. Tja, das hätte der Gute sich auch nicht träumen lassen, dass er eine verarmte Prinzessin wachgeküsst hat. Daran konnte man erkennen, dass er nicht unbedingt eine Intelligenzbestie war. Jeder Grundschüler mit rudimentären Rechenkenntnissen hätte sich ausrechnen können, dass bei ihr nix zu holen war.

War doch wohl offensichtlich, oder? Hallooo?!? Ein König, der nur 12 goldene Teller besaß? Sie war immer noch stinksauer auf Papa. Da macht er einen auf dicke Hose und hat nix auf Sack. Und wer musste darunter leiden? Richtig! Da startet der Mann die Riesenwelle, lädt "Jan und alle Mann" zu ihrer Taufe ein.. und einen Tag vorher fällt es ihm wie Schuppen aus den Haaren, dass nicht genug Geschirr da ist. Anstatt sich bei den Nachbarn was zu borgen, lädt dieser Trottel ausgerechnet Tante Agathe wieder aus. Dabei weiß doch jeder, wie nachtragend die ist.

Natürlich rauschte sie dann zur Taufe doch an. Mit Blitz und Donner war sie über die Gesellschaft hereingebrochen und hatte hysterisch gekeift: “Die Königstochter soll sich in ihrem 15. Jahr an einer Spindel stechen und tot hinfallen!“ Tante Maria war dann so lieb, es in einen hundertjährigen Schlaf umzuwandeln.. aber das hätte sie besser bleiben lassen.

Was hatte ihr das letzten Endes eingebracht? Ein Gesicht wie ein ungemachtes Bett und einen bisexuellen Ehemann. Welcher sich allerdings in letzter Zeit ausschließlich auf Menschen seines eigenen Geschlechtes konzentrierte. Zum Glück! Dornröschen hatte eh keinen Bock auf Sex mehr. Tja, so ist das, wenn man hundert Jahre schläft. Da vergeht die Zeit zwar langsamer, aber sie bleibt leider nicht stehen. In der Pubertät einzuschlafen und im Klimakterium aufzuwachen – das ist nicht besonders witzig!

Ach – egal! Sie würde sich jetzt ein bisschen zurecht machen und dann Eulalia besuchen. Mal sehen, ob die etwas von Erdal gehört hatte. Eulalia hatte ihm nämlich eine Eil-Brieftaube geschickt. Seit Erdal weg war ging hier alles drunter und drüber. Drosselbart war seinem Amt überhaupt nicht gewachsen. Das Beste wäre, er würde sich die ganze Zeit mit Kunibert im Himmelbett vergnügen. Dann käme er wenigstens nicht mehr auf so bescheuerte Ideen! Diese bekloppte Kampagne zum Beispiel: „Du bist Märchenland!“ Total krank! Wer denkt sich so was aus? Könnte glatt aus dem Menschenreich kommen, idiotisch wie das ist!

Hoffentlich konnte Eulalia ihren Bruder dazu überreden, zurück zu kommen. Die Ärmste war auch mit den Nerven am Ende. Die Behandlung ihres Gatten bei Dr. Allwissend verschlang ein Vermögen, brachte aber keine Besserung. Und dann noch die Sorge um Rotkäppchen. Die Kleine war vom letzten Besuch bei der Großmutter total verstört heimgekommen. Seitdem war kein Wort aus ihr heraus zu kriegen. Fest stand, dass sie etwas Unglaubliches gesehen haben musste! Aber was?? Dornröschen schüttelte den Kopf. Nur Kummer, Sorgen und Ärger, wohin man auch schaute.

Und da sagen die Menschen, wenn sie etwas Schönes beschreiben wollten, das sei „märchenhaft“. Wenn die wüssten!

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